: Weltinnenpolitik? Nein danke!
betr.: „Frieden schaffen. Auch mit Waffen“ von Armin Osmanovic, taz vom 11. 8. 07
Beim Stichwort „Willy Brandts Idee: Weltinnenpolitik“ habe ich unangenehme Assoziationen: erstens die Berufsverbote und die damit verbundene Gesinnungsschnüffelei, die unter der Kanzlerschaft von Willy Brandt die bundesdeutsche Innenpolitik charakterisiert haben, und zweitens die Innenminister der jüngsten deutschen Regierungen, Schily und Schäuble, die anscheinend immer neue Kontrollmaßnahmen ersannen und ersinnen. Wenn ich mir das vor Augen halte, fällt mir spontan ein: „Weltinnenpolitik? Nein danke!“
Aber ein so komplexes Thema will ja doch sorgsamer überdacht sein: Innenpolitik spielt sich innerhalb eines Staatsgebildes ab, das heißt im Regelfall innerhalb einer Gemeinschaft von Menschen, die ein formuliertes System von Rechtsnormen und auch eine staatliche Instanz, die diese Normen überwacht und notfalls durchsetzt, (mehr oder weniger) akzeptieren, die aber auch – zumindest prinzipiell – die Möglichkeit haben, eine Verletzung solcher Rechtsnormen durch die Staatsgewalt einzuklagen und unterbinden zu lassen. Jeder weiß, dass dieses Prinzip auch in modernen Demokratien nicht immer ganz wünschenswert funktioniert. Weltweit ist die Situation aber offensichtlich eine ganz andere.
Es gibt weltweit weder einen tragfähigen Konsens über einheitliche Rechtsnormen, noch gibt es eine übernationale Instanz, die wirklich legitimiert wäre, Rechtsnormen auch dann gegen nationale Regierungen durchzusetzen, wenn diese Eingriffe von außen strikt ablehnen. Herr Osmanovic weist darauf hin, dass in Darfur an die 400.000 Menschen umgebracht worden sind und dass „Staaten kollabieren und Warlords, Banditen und Terroristen ihre eigene blutige Ordnung schaffen“. Es scheint dabei für ihn auf der Hand zu liegen, dass – im Sinne einer „Weltinnenpolitik“ – demokratische Staaten wie die EU oder die USA die Verpflichtung haben, in solchen Situationen einzugreifen, auch militärisch, damit ein solches Morden gestoppt oder verhindert wird.
Gleichzeitig polemisiert er gegen die Linke, weil die angesichts solcher menschlicher Katastrophen immer noch „lieber gegen ihre Lieblingsfeinde kämpft“, nämlich gegen „den bösen Kapitalismus und die imperialen Mächte USA und EU“. Wenn aber den USA und der EU – der Autor scheint davon auszugehen – durch die Macht des Faktischen (?) die Rolle einer Weltregierung und Weltpolizei zukommt, dann erheben sich doch grundsätzliche Fragen: Sollen diese Mächte nach eigenem Ermessen entscheiden, wo es sich bei bewaffneten Auseinandersetzungen in irgendwelchen Staaten um Terroristen und Warlords handelt und wo um terrorisierte und von Ausrottung bedrohte ethnische oder weltanschauliche Minderheiten? Was ist mit den Tschetschenen in Russland, was mit den Kurden in der Türkei oder im Iran, was ist mit Dissidentengruppen oder unterdrückten Minderheiten in China, was mit den Tamilen auf Sri Lanka?
Die Forderung nach einer „Weltinnenpolitik“ ist zwar schön plakativ, sie ist aber einerseits offensichtlich für die wirklichen Weltprobleme gar nicht hilfreich, scheint andererseits jedoch geeignet zu sein, eine faktische Ausweitung oder Intensivierung des Imperialismus mit einem humanitären Mäntelchen zu versehen.
WINFRIED SCHUMACHER, Köln