piwik no script img

Weltbank: Tanz der VampireDer Konkurs findet doch statt

■ Banken erfinden gerissene Modelle zu Umwindung ihrer Verluste aus der Verschuldungskrise / Widersprüche zwischen groß und klein

1987 hat die internationale Verschuldung die Grenze von 1,2 Billionen US–Dollar überschritten; neue Kredite flossen spärlich, „fresh money“ gab es nur noch unter Auflagen. Vereinzelte Stimmen bedauerten, daß man nicht - wie beim Konkurs eines Unternehmens - einfach die wertvollsten Teile der Industrie der Schuldnerländer meistbietend verscherbeln kann, um mit dem Erlös die immensen Forderungen abzulösen. In der Tat wäre dies die imperialistische Holzhammermethode, die Schuldenkrise „marktkonform“, sprich im Interesse der Banken, zu lösen. Die Banken bilden aber keinen monolithischen Block mit einheitlicher Interessenlage. Große und kleine Banken haben unterschiedliche Ansichten über den einzuschlagenden Weg. Dies zeigte sich deutlich im Widerstand der amerikanischen Regionalbanken, die die dritte Mexiko–Umschuldung über sieben Monate in die Länge zogen. Sie konnten ihre Interessen zur Geltung bringen, indem sie drohten, mittels einmaliger Totalabschreibung der Forderung einen Schlußstrich zu ziehen. Ihr Beispiel hätte die Behörden veranlaßt, dasselbe von den Riesen zu verlagen, was für diese aber angesichts ihrer im Verhältnis zu ihrem Eigenkapital gewaltigen Ausleihungen an Problemländer existenzbedrohend gewesen wäre. Wohl oder übel mußten die Großen Mittel und Wege ersinnen, die Kleinen zu besänftigen, ihnen den ersehnten Ausstieg aus dem inzwischen bitter bereuten internationalen Abenteuer zu gewähren oder ihre Waffen stumpf zu machen. Gleichzeitig mußte auch die Position gegenüber den Schuldnerländern verbessert werden. Eine Bestandsaufnahme heute zeigt, daß eine erfolgreiche Strategie gefunden wurde. Macho–Provisioning Nach US–amerikanischer Bankaufsichts– und Bilanzpraxis müssen Banken Kredite, bei denen der Zinsendienst um mehr als 90 Tage überfällig ist, für notleidend (“non–performing“) erklären, was sich negativ auf die Ertragsrechnung auswirkt. Die Schuldner konnten also immer damit drohen, die Zahlungen einzustellen, wenn kein „fresh money“ gewährt wurde. Im ersten Quartal 1987 stellte die Citibank ihre Ecuador– und Teile ihrer Brasilienforderungen „non–performing“. Am 19. Mai folgte der Paukenschlag, der Mitkonkurrenten wie Schuldner gleichermaßen unangenehm überraschte: Die Rückstellungen (engl.: „provisions“) für die dubiosen Kredite wurden (zu Lasten des Gewinns) auf einen Schlag um drei auf 4,7 Milliarden US–Dollar erhöht. Damit gestand die Bank die teilweise Uneinbringlichkeit der Forderungen offen ein. Dieser Vorstoß nahm den Regionalbanken einige Trümpfe aus der Hand, und die großen Konkurrenten waren gezwungen mitzuziehen. Vor allem aber wurde den Schuldnern überdeutlich signalisiert, daß die Zeit der Erpreßbarkeit zu Ende sei. In Finanzkreisen wurde das Vorgehen der Citibank– Hardliner denn auch schnell als „macho–provisioning“ etikettiert. Alle dubiosen Kredite auf einmal abzuschreiben, ist dennoch selbst für gut betuchte Banken schlicht unmöglich, zumal die steuerliche Behandlung von Rückstellungen und Wertberichtigungen (noch) nicht zugunsten der Banken korrigiert ist. Second–Hand–Kredite Die zweite Strategielinie ist daher, zweifelhafte Forderungen zu verkaufen. Die „Securitization“, die Verwandlung von Buchkrediten in handelbare Wertpapiere, erlaubt es den kleinen Banken, sich von ihren Engagements endgültig zu trennen, wenn sie bei Umschuldungen für ihr „fresh money“ Wertpapiere (plastisch „exit bonds“ genannt) akzeptieren oder alle ihre Forderungen in handelbaren „Transferable Loan Certificates“ zusammenfassen. Daß dieser Weg eines „marktgerechten Ausstiegs“ genutzt wird, belegt das Wachstum des Sekundärmarkts mit verbrieften zweifelhaften Forderungen, dessen Umfang von etwa zwei Milliarden US–Dollar 1982 auf schätzungsweise 15 Milliarden US–Dollar im letzten Jahr anstieg. Die Kurse für Second– Hand–Kredite auf diesem Markt zeigen die Wertschätzung der Banken für einzelne Schuldnerländer: Brasilien–Kredite wurden im März 1987 (nach Angaben der US–Bank Merril Lynch) mit etwa 47 Prozent ihres Minimalwertes gehandelt, Argentinien–Forderungen kosteten 29 Prozent, Me xiko 48 Prozent. Der Sekundärmarkt fand erstmals zur Jahreswende 1987/88 offiziell Beachtung, als der sogenannte „Mexiko–Deal“ zur Verhandlung anstand. Dabei ging es um die Möglichkeit, alte Mexiko–Forderungen in Höhe von insgesamt 20 Milliarden US–Dollar mit einem der damaligen Marktnotierung von 50 Prozent entsprechenden Abschlag in neue, vom US–Schatzamt garantierte, höher verzinsliche Wertpapiere umzutauschen. Ein weiteres Bonbon war das Zugeständnis der Behörden, daß bei Teilnahme an dem Deal nicht auch noch alle verbleibenden Mexiko– Forderungen (die bisher nur zu etwa 30 bis 35 Prozent wertberichtigt sind) auf 50 Prozent abgeschrieben werden müssen. Dennoch war der Andrang der Banken nicht überwältigend, und die Zeichnungsfrist mußte verlängert werden, denn Mexiko war nur zur Schuldenkonversion für diejenigen Banken bereit, die auch neue Kredite zusagten. Debt–Equity–Swaps Wer kauft nun diese dubiosen Forderungen auf dem Second–Hand– Kreditmarkt? Neben den Schuldnerländern selbst und einigen Banken, die ihr Portfolio an Problemkrediten umstrukturieren, sind es vor allem internationale Firmen, die die Möglichkeit von sogenannten „debt–equity–swaps“ nutzen, um Direktinvestitionen in dem jeweiligen Land vorzunehmen. Dabei wird die meist in US–Dollar denominierte Forderung von der dortigen Zentralbank gegen einheimische Währung zurückgekauft, den Erlös investiert die Firma im Schuldnerland, wobei die Regierung den Gewinntransfer zusichert. Insbesondere Chile und Mexiko, aber auch Ecuador, Venezuela, Argentinien und jüngst auch Brasilien zeigen sich diesen Deals gegenüber aufgeschlossen. „Debt–equity–swaps“ reduzieren wohl die Außenverschuldung, bedeuten aber zugleich den industriellen Ausverkauf an das Ausland, da die Investition meist im Aufkauf eines inländischen Unternehmens besteht. So findet der im internationalen Recht nicht vorgesehene Konkurs über das Vermögen eines souveränen Schuldners doch statt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen