piwik no script img

Weltarbeitsbericht der ILOHauptsache uns geht's gut

Langsam erholt sich die Weltwirtschaft von der Krise. Doch die Arbeitslosigkeit steigt, ebenso wie das Risiko auf soziale Unruhen, sagt der neue Bericht der Internationalen Arbeitsorganisation.

Die UN-Organisation sieht Deutschland auf dem richtigen Weg – dank starker Exporte. Bild: dapd

GENF dpa | Die Lage auf den weltweiten Arbeitsmärkten bleibt angespannt, obwohl sich die Weltwirtschaft langsam von der Krise erholt. Zu diesem Ergebnis kommt die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) in ihrem neuen Bericht „Welt der Arbeit“, der am Montag erscheint. Seit 2011 nimmt die Arbeitslosigkeit dem Bericht zufolge sogar wieder zu.

Als weltweite Probleme sieht die ILO die Jugend- und die Langzeitarbeitslosigkeit. In den Industrieländern erwartet die UN-Organisation frühestens ab 2016 wieder Beschäftigungszahlen wie vor der Krise 2008. Die UN-Organisation sieht Deutschland auf dem richtigen Weg.

Dank starker Exporte vor allem außerhalb der Eurozone blieben dort sowohl das Wirtschafts- als auch das Beschäftigungswachstum stark, hält der Bericht fest. Außerdem deuteten die bisherigen Ergebnisse der diesjährigen Tarifverhandlungen darauf hin, dass die Löhne 2012 und 2013 real steigen könnten.

Als größte Herausforderungen in Deutschland nennt die ILO die Anpassung der Reallöhne an die Produktivitätsentwicklung sowie Verbesserungen bei den Rahmenbedingungen für so genannte atypische Beschäftigungsverhältnisse. Damit werden befristete Verträge, Leiharbeit, Teilzeitstellen mit bis zu 20 Stunden pro Woche sowie gering bezahlte und kurzfristige Jobs bezeichnet.

Wirtschaftsfalle in Volkswirtschaften

Besonders betroffen von solchen unsicheren Beschäftigungsverhältnissen sind Frauen. In ihrer weltweiten Analyse unter dem Titel „Bessere Arbeit für eine bessere Wirtschaft“ hält Studienautor Raymond Torres fest: „Die Beschäftigungssituation verschlechtert sich in Europa, und in vielen anderen Ländern verbessert sie sich nicht mehr. Das heißt, die weltweite Beschäftigungskrise hat eine neue, strukturelle Phase erreicht.“

Die sich verschlechternde Entwicklung weise auf die Wohlstandsfalle in hoch entwickelten Volkswirtschaften hin, vor allem in Europa. Diese greife auf andere Länder über. Als mögliche Lösung hält der Bericht fest, die Staaten müssten anerkennen, dass arbeitsplatzfördernde Politik einen positiven Effekt auf die Wirtschaft ausübe: „Die Stimme der Finanzwirtschaft sollte nicht den politischen Entscheidungsprozess bestimmen“.

Für den Bericht untersuchte die ILO auch den Zusammenhang zwischen der Arbeitsmarktsituation und dem Risiko sozialer Unruhen. In 57 von 106 untersuchten Ländern stieg dieses Risiko an und war in Afrika und im Nahen Osten am höchsten. In Ländern, wo die Beschäftigung zunahm oder sich die Qualität der Arbeitsplätze verbesserte, ging das Risiko zurück. Das war in einigen Ländern Lateinamerikas und Asiens der Fall.

Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) ist eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen. 183 Staaten sind Mitglied der ILO. Dabei sind auch die jeweiligen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen mit Sitz und Stimme vertreten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • C
    Celsus

    Soviel Weisheit und die Bereitschaft das auch noch bekannt zu geben, hätte ich der ILO nicht zugetraut. Ist es doch so, dass sich die Politik bei Unruhen und Aufständen sonst immer nur überrascht und mit ungläubigtem Staunen gibt.

     

    Allerdings ist erstaunlich, wenn da Deutschland auf dem richtigen Weg gesehen wird. Sicherlich haben die Damen und vor allem die zahlreicheren Herren bei der ILO die Köpfe übervoll und können sich mit dem üblichen statistischen Pfusch in Deutschland nicht beschäftigen. Sie übersehen, dass da Arbeitslose - nämlich diejenigen ab dem 58. Lebensjahr schon aus dem raffinierten Grund aus der Arbeitslosenstatistik fallen, dass ihnen schon seit einem Jahr kein Job mehr angeboten werden konnte.

     

    Bravo! Der Pfusch wird dann noch international als richtiger Weg bejubelt. Derweil liegt dann aber die Unterbeschäftigungsquote von Leuten, die gerne Arbeit oder mehr Arbeit hätten in Deutschland bei 9,5 %. Das ist eine offzielle Zahl der Bundesagentur für Arbeit, die sich allerdings auch veheme3nt gegen den Statistik-Pfusch aussprach. Der Fisch stinkt von ganz oben her!

     

    Und wenn wir schon die jämmerlichen Zustände der unteren Bevölkerungshälfte in Deutschland betrachten: Da gibt es ArbeitnehmerInnen und vor allen Dingen Selbständige, die gar bei weitem mehr als 40 Stunden in der Woche arbeiten und ergänzend Hartz IV beziehen müssen!

     

    Warum wir reich sind? Statistik muss eben richtig verstanden werden: Da gibt es dann Superreiche, die immer mehr Geld haben, während sie andere lieber hungern lassen. Wer will denn so genau wissen, welchen Anteil am Gesamtvermögen inzwischen die oberen 10 % haben?

     

    Geld in der Menge wird von den Superreichen nicht mehr annäherungsweise für den privaten Konsum gebraucht. Das ist in der Menge nur noch Macht. Es könnte die Macht sein, das Geld auch in zumutbare Arbeitsbedingungen und Jobs mit nicht so zahlreichen unbezahlten Überstunden zu lenken. Und nciht in Jobs lenken, bei denen so unverschämt wenig gezahlt wird, dass sogar die CDU langsam und zäh dazulernte und jetzt einen Mindestlohn fordert.

     

    Es gibt noch viel zu lernen für ruhmreiche Politik der Bundesregierung, die von der ILO bereits bejubelt wird. Gäbe es doch mehr Anlass dazu, wäre ich glücklich.

  • DH
    Der Heinz

    Deutschland ist auf dem richtigen Weg? Hallo?

    Mein Land taumelt auf die Katastrophe zu und die ILO findet es toll. Na klasse!

    Mein Land bekommt es nicht hin, neue Arbeitsfelder zu erschließen, sondern setzt nach wie vor auf völlig veraltete Zweige, wie Automobilindustrie, Handwerk und Dienstleistungen. Es sieht sich immer noch auf einer Insel in der Welt und was sich sonst so in der Welt entwickelt, ignoriert es mit einer Mischung aus Arroganz und Angst.

    In spätestens 20 Jahren wird dieser Staat bankrott sein, wenn dann all die auf der Matte der Sozialämter stehen, die Dank der Beschäftigung im Niedriglohnbereich keinerlei Rentenansprüche haben und so die staatliche Grundversorgung beantragen müssen. Von (Langzeit-)Arbeitslosen will ich gar nicht erst reden.

    Wer das dann bezahlen soll, ist mir schleierhaft.

    Zudem wächst die Zahl der Singles hier und für diese Menschen wir später keiner da sein, der sie pflegt und gleich gar nicht, wenn er sich dank der Demographie seinen Job aussuchen kann. Eine unterbezahlte und gesellschaftlich nicht geschätzte Pflegerstelle wird kaum noch einer annehmen.

     

    In Deuschland wird sich ein gefährliches Gebräu aus Entpolitisierung, Rückzug in's Private und (Welt-)Angst entwickeln, denn in diesem Land bekommt keiner mehr den Arsch hoch, um die strukturellen Missstände anzuprangern. Wir haben unsere Verantwortung schon längst an eine Politik übergeben, die altem Denken verhaftet ist und Realitäten großzügig ignoriert. Der traurige Endpunkt der Demokratie sind jetzt die Piraten, die völlig konfus und ohne echte Konzepte sind und das als neuen Politikstil verkaufen. Es scheint, als sei für viele die Wirklichkeit im Internet heute wichtiger als die der Menschen und ihrer Umgebung.

     

    Wie sind auf einem guten Weg.

  • C
    Caana

    Öhm....ich weiß ja nicht, aber das ist doch ein total widersprüchlicher Text.

     

    Woran wird den die langsame Erholung von der Krise festgemacht?

     

    "Die Lage auf den weltweiten Arbeitsmärkten bleibt angespannt,.....Seit 2011 nimmt die Arbeitslosigkeit dem Bericht zufolge sogar wieder zu."

     

    "Als weltweite Probleme sieht die ILO die Jugend- und die Langzeitarbeitslosigkeit."

     

    dann kommt:

     

    "Dank starker Exporte vor allem außerhalb der Eurozone blieben dort sowohl das Wirtschafts- als auch das Beschäftigungswachstum stark, hält der Bericht fest." ????? O.o

     

    Als nächstes:

     

    "Außerdem deuteten die bisherigen Ergebnisse der diesjährigen Tarifverhandlungen darauf hin, dass die Löhne 2012 und 2013 real steigen könnten."

     

    Aber:

     

    "Die Beschäftigungssituation verschlechtert sich in Europa, und in vielen anderen Ländern verbessert sie sich nicht mehr. Das heißt, die weltweite Beschäftigungskrise hat eine neue, strukturelle Phase erreicht.“

     

    Wie passt das alles zusammen und nochmals: Woran wird eine langsame Erholung von der Krise festgemacht, wenn sich doch alles verschlechtert?

  • WW
    W. Wacker

    Schöner Bericht der ILO ?!?

     

    Leider erwähnt die TAZ nicht, was auf Seite 15 steht: Die ungleiche Einkommensverteilung in Deutschland hat sich durch die Krise verringert. Und auf Seite 85 kann man lesen, dass der Prozentsatz der unfreiwillig in Teilzeit oder befristet Beschäftigten in Deutschland gesunken ist.

     

    Hallo? Sonst wird doch immer das Gegenteil postuliert.

     

    Ist also der Bericht von zweifelhaftem Wert (dann sollten uns die anderen Aussagen auch nicht beunruhigen), oder wird in Deutschland das Einkommen gleichmäßiger verteilt? Weil z.B. die Arbeitslosigkeit zurück geht? Dann sollte man das mal positiv herausstellen.

     

    Immer nur meckern und kritisieren ist falsch, da es eine negative Grundeinstellung herbei redet.