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■ Welt Weit GrönlingMultifeld auf Kombifläche

Komplizierte Sätze, geschraubte Formulierungen und Begriffe, die in keinem Fremdwörterlexikon stehen – solche Texte haben alle schon gehört oder gelesen. Ihre Verfasser wollen damit zumeist signalisieren, daß sie eine gewisse Bildung genossen haben und es sich allein schon deshalb um etwas ganz Wichtiges handelt. Und wenn sich Publikum, Leser oder Kunden mit dem Verstehen ein bißchen schwertun, dann ist das nicht das Problem des Autors. Schließlich hat er hart geackert, an Formulierungen gefeilt und Alltagsbegriffe per Mausklick durch schlau klingende Synonyme ersetzt. Bedienungsanleitungen von elektronischen Geräten und Computerprogrammen sind besonders schlimm.

Kürzlich habe ich mir ein Programm angeschafft, um Texte aus unterschiedlichen Informationsquellen wie Büchern, Zeitungen, Tickern, Internet und CDs zu organisieren. Der Zustand „Ein Griff, und die Sucherei geht los“ sollte endlich ein Ende haben. Das Programm erfüllt genau das, was ich mir immer vorgestellt habe, kann beliebige Zuordnungen und Querverweise anlegen, Literaturlisten, Zitate und Notizen in die Textverarbeitung schaufeln und viele Dinge, von denen ich noch nichts weiß. Es läßt sich auch recht einfach bedienen. Aber dann habe ich das Lernprogramm gestartet. Lektion eins: Erfassen eines Zeitschriftenbeitrags (Auszüge):

Erfassen Sie zunächst den Autor des Beitrags. Klicken Sie hierzu auf die Ausleseschaltfläche des Multikombinationsfeldes „Autor lang“. Selektieren Sie die gewünschte Zeitschrift, und bestätigen Sie mit „Übernehmen“. Klicken Sie auf die Ausleseschaltfläche. Die Angaben werden in die Registerkarte „Allgemein“ übernommen. Durch einen Wechsel in den Navigationsbaum werden die Angaben gespeichert.

So geht das also. Wie gut, daß ich so ein Multifeld habe. Aber was mache ich mit den kurzen Autoren? Geht die Zeitschrift vom vielen Selektieren nicht kaputt? Und daß ich mit einem Baum auch navigieren kann, muß ich mir unbedingt fürs Segeln merken. Die „Ausleseschaltfläche“ erinnert an „Bücherverbrennung“, und so beschließe ich, weiterhin blind durch das Programm zu klicken.

Dieses Beispiel ist keine Ausnahme. Fast alle sind so, da wimmelt es von Schaltflächen, Registerkarten und anderen Dingen. Niemand kann das alles memorieren. Vermutlich ist auch genau das der Grund, warum sich die Leute immer noch sehr zögerlich an das Internet heranwagen. Auch bei den Browsern und Mailern sind die Anleitungen viel zu kompliziert. Dieter Grönling

dieter@taz.de

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