Welt-Aids-Konferenz in Südafrika: Viel hilft viel
Die Nobelpreisträgerin Francoise Barré-Sinoussi warnt vor einer einseitigen Strategie gegen Aids. Entscheidend seien Prävention und Behandlung gleichermaßen.
Entscheidend seien nach wie vor die Prävention neuer Infektionen und die kontinuierliche Behandlung HIV-positiver Menschen. „Wir können noch nicht sagen, ob oder bis wann wir ein Heilmittel haben werden“, sagte Barré-Sinoussi auf der Welt-Aids-Konferenz im südafrikanischen Durban.
Die Forschungsgelder für ein Heilmittel hätten sich innerhalb weniger Jahre auf zuletzt gut 200 Millionen Dollar pro Jahr verdoppelt. Der Großteil der Untersuchungen konzentriert sich darauf, den HI-Virus im Körper so weit zu hemmen, dass keine laufende Behandlung mehr nötig ist. Patienten wären jedoch weiter HIV-positiv, der Virus nur in Schach gehalten. Ein Medikament, das den Virus eliminiert, ist noch Zukunftsmusik. „Ein wirkliches Heilmittel zu finden, wird sehr schwierig werden“, sagte Barré-Sinoussi.
Die Welt-Aids-Konferenz bringt etwa 18.000 Forscher, Aktivisten und Regierungsvertreter aus rund 180 Ländern zusammen. Weltweit sterben jährlich 1,1 Millionen Menschen an der vom HI-Virus ausgelösten Immunschwächekrankheit Aids, vor allem in Afrika. Pro Jahr gibt es weltweit rund 2,1 Millionen HIV-Neuinfektionen.
Die Weltgemeinschaft hat sich im Juni in New York auf das Ziel verständigt, die Aids-Epidemie bis 2030 zu beenden. Es wird aber stark daran gezweifelt, ob dieses Ziel noch erreicht werden kann.
Trotz aller Präventionsbemühungen ist im vergangenen Jahrzehnt die Zahl der HIV-Neuinfektionen in 74 Ländern gestiegen. Darunter sind Ägypten, Kenia und Russland, wie aus einer am Dienstag veröffentlichten Studie im Fachmagazin The Lancet HIV hervorgeht. Weltweit gesehen ist die Zahl der Neuinfektionen von 2005 bis 2015 um 0,7 Prozent zurückgegangen.
HIV als behandelbare chronische Krankheit abgehakt
Die HIV-Expertin Annemarie Wensing machte in Durban der Europäischen Union schwere Vorwürfe. Die Staatengemeinschaft vernachlässige die Forschung zu einem HIV-Heilmittel, sagte die Wissenschaftlerin, die an der niederländischen Universität Utrecht forscht. In Europa werde HIV inzwischen als behandelbare chronische Krankheit abgehakt. Fast alle Gelder für den Forschungsbereich kämen aus den USA. „Die Europäer denken, wir hätten HIV unter Kontrolle“, sagte sie.
Viel Hoffnung setzen Experten inzwischen in Prophylaxe-Medikamente, die Menschen vor Neuinfektionen bewahren können. „Wir hoffen, dass wir 2016 eine größere Verbreitung der medikamentösen Prophylaxe erreichen können“, sagte HIV-Expertin Linda-Gail Bekker von der Universität Kapstadt. Das Viren-hemmende Medikament „Truvada“, das täglich eingenommen werden muss, ist in den USA seit 2012 als Prophylaxe zugelassen. Es kommt besonders für Risikogruppen infrage, etwa Männer, die Sex mit Männern haben.
In Südafrika wird die Prophylaxe seit kurzen auch an Prostituierte ausgegeben. In Europa wird eine Entscheidung über die Zulassung in den kommenden Monaten erwartet. Das Medikament würde nach Einschätzung von Experten in Deutschland rund 800 Euro monatlich kosten. Ob sich Krankenkassen daran beteiligen, ist noch völlig offen.
„Die Prophylaxe kann HIV-Infektionen verhindern, daher muss sie auch in Deutschland verfügbar sein“, sagte Holger Wicht von der Deutschen Aids-Hilfe. Skeptiker wenden indes ein, dass die Prophylaxe den Gebrauch von Kondomen reduzieren und damit der Ausbreitung anderer Geschlechtskrankheiten Vorschub leisten könnte.
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