: Welches Gericht ist für Mord zuständig?
■ Der 26jährige amerikanische Soldat Derrick A. soll den Mord an der Koreanerin auf dem Gelände der Kirchlichen Hochschule verübt haben/ Staatsanwaltschaft will Prozeß vor deutschem Gericht
Berlin. Den entscheidenden Tip, der auf die Spur des 26jährigen amerikanischen Soldaten Derrick A. führte, kam von der Sittenpolizei. Derrick A. wird dringend verdächtigt, am 16. Oktober die Koreanerin Kying- Lim Lee auf dem Gelände der Kirchlichen Hochschule in Zehlendorf vergewaltigt und so zusammengeschlagen zu haben, daß sie wenige Stunden später an den Folgen starb. Vermutlich ist Derrick A. auch der Mann, der kurz vor dem Überfall auf die Koreanerin zwei andere Frauen angegriffen und verletzt hatte.
Damit bewahrheitete sich, was eine Bürgerinitiative in Zehlendorf schon vor zwei Wochen der taz mitteilte und Manfred Vogt, Leiter der zuständigen 4. Mordkommission, damals nicht bestätigen wollte. Hauptverdächtigt ist genau der Mann, der im Juni und Juli in der Gartenstadt Düppel, am Königsweg und an der Potsdamer Straße (Zehlendorf) sechs Frauen, zwei davon Kinder, mißhandelt hatte. Verurteilt wurde der Soldat von einem amerikanischen Kriegsgericht am 21. und 22. November, also fünf Wochen nach dem Überfall auf die Koreanerin. Wie das Informationsamt der U.S. Army gestern mitteilte, erhielt Derrick A. eine Haftstrafe von 22 Jahren. Die Kosten des Verfahrens muß er bezahlen, zusätzlich wurde der Soldat im Rang eines »Specialist« degradiert.
Aber warum der Amerikaner während der Prozeßdauer nicht inhaftiert, sondern, lediglich, per »Stubenarrest« in der McNair-Kaserne in Lichterfelde festgehalten worden war, konnte auch die Pressesprecherin Gabrielle Hornewicz nicht erklären. Fest stehe, daß er am Nachmittag des 15. Oktober sein Zimmer »unerlaubt« verlassen habe und erst in der Nacht zum 16. Oktober wieder aufgetaucht war. »Dieser Vorgang werde noch überprüft«, sagte sie.
Die Mordkommission konzentrierte ihre Ermittlungen auf den Soldaten, nachdem die Sittenpolizei auf die Parallelen zwischen den Verbrechen im Sommer und denen im Oktober hingewiesen hatte. Manfred Vogt sagte jetzt, daß »sich die Hinweise auf andere Tatverdächtigte aus seiner Sicht erledigt haben«. Ein »faktischer Beweis« sei die Blutuntersuchung gewesen. Vogt wollte Pressemeldungen nicht bestätigen, wonach ein »genetischer Fingerabdruck« den Mann überführt habe.
Im Unterschied zu den Straftaten im Sommer wird der tödliche Überfall auf Kyung-Lim Lee vermutlich nicht vor einem amerikanischen, sondern vor einem deutschen Gericht verhandelt werden. Wie Ute Fölster von der Justizpressestelle Moabit erläuterte, fallen Verbrechen von Angehörigen der Alliierten, die auch nach deutschem Recht geahndet werden müssen, in den Bereich der sogenannten »konkurrierenden Gerichtsbarkeit«. Nach Artikel 19 des Nato-Truppenstatuts vom Juni 1951 (!) können aber deutsche Staatsanwälte nur dann einen »Widerruf«, d.h. eine Verhandlung nach deutschem Recht beantragen, wenn ein besonders schweres Kapitalverbrechen verübt worden sei. Die Verbrechen im Sommer seien nach dieser Definiton nicht schwerwiegend genug gewesen.
Jetzt hingegen reichen die Umstände für einen »Widerruf« aus. Die Staatsanwaltschaft habe ihn deshalb bereits beantragt. Am Zuge sei jetzt die Senatsverwaltung für Justiz. Sie müsse diesen »Widerruf« der U.S. Army »zur Kenntnis« bringen und dann auf Antrag des Staatsanwaltes einen Haftbefehl ausstellen. Wenn auch die US-Armee die Umstände als schwerwiegend genug bewertet, wird sich Derrick A. bald vor einem deutschen Gericht zu verantworten haben. Anita Kugler
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