■ Weizmanns Vorschlag zu endgültigen Verhandlungen: Es bleibt alles beim alten
Auf den ersten Blick klingt der Vorschlag des israelischen Staatspräsidenten Ezer Weizmann, sofort in die Verhandlungen über den endgültigen Status der autonomen und besetzten palästinensischen Gebiete einzutreten, überzeugend. Die Aussicht, eine mehrjährige Testphase palästinensischer Autonomie mit immer wiederkehrenden Hamas-Anschlägen und fortgesetztem Siedlerradau durchlaufen zu müssen, ist nicht eben verlockend. Den Gegnern des Friedensprozesses auf beiden Seiten den Wind aus den Segeln zu nehmen hätte sicher vielerorts Beifall gefunden.
Doch Weizmanns Absicht ist eine andere. Da ist zum einen der Anlaß seiner Ankündigung. Wegen
eines Anschlags die Autonomie nach sofortigen endgültigen Verhandlungen auf niedrigem Niveau einzufrieren, mag in Israel populär sein, stellt aber einen Bruch des Osloer Abkommens dar. Bisher galt, daß die israelischen und palästinensischen Unterhändler sich dem Terror nicht beugen, komme er von Hamas oder den radikalen Siedlern.
Und in der Tat will Weizmann das Abkommen von Oslo revidieren. Seine rhetorische Frage, ob die israelische Armee tatsächlich aus allen arabischen Städten der Westbank abziehen müsse, kann nur als grober Anschlag auf das Osloer Grundlagenabkommen
interpretiert werden. Die Aussicht, am Ende mit
weniger dazustehen, als in Oslo ausgehandelt wurde, wird Hamas neuen Zulauf bringen und Arafats Autorität weiter untergraben. Würde Weizmanns Vorschlag Realität, dann wären auch die Palästinenser nicht mehr an ihre Unterschrift gebunden. Der
gesamte Friedensprozeß stünde damit zur Disposition. Das aber kann sich die israelische Regierung gar nicht leisten.
Es wird alles beim alten bleiben. Israels Regierungschef Jitzhak Rabin wird weiter sagen, daß kein Termin heilig ist. Palästinenser und Israelis werden weiter um Land und Wasser, Siedlungen und politische Kompetenzen, um Militärposten und Polizeibefugnisse feilschen, bis hin zu den Tomaten- und Melonenkontingenten, die aus der Westbank nach Israel eingeführt werden dürfen.
Daß die Verhandlungen über den endgültigen Status der palästinensischen Autonomiegebiete, wie in Oslo vereinbart, Mitte 1996 beginnen, steht auch ohne Weizmanns Vorstoß schon in Frage. Bis jetzt ist nämlich noch kein einziger Termin im Friedensprozeß eingehalten worden. Georg Baltissen
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