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Weitere Straßenschlachten in Seoul

■ Sitzstreik in der südkoreanischen Hauptstadt / 13 Oppositionsführer verhaftet / Erste Solidarisierung von Geschäftsleuten mit Demonstranten / Kathedrale immer noch besetzt

Seoul (ap/afp/wps) - Nach vorübergehender Ruhe sind am Sonntag nachmittag in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul erneute Kämpfe zwischen Polizei und Studenten um die von inzwischen mehreren Tausend Demonstranten besetzte Myongdong–Kathed rale entbrannt. Am Samstag gingen rund 1.000 militärisch ausgerüstete Bereitschaftspolizisten gegen einen friedlichen Sitzstreik von rund 2.000 Demonstranten vor, die auf der Hauptverkehrsstraße im nahe der Kathedrale gelegenen Geschäftsviertel gegen die Militärdiktatur protestieren wollten. Die jüngste Protestwelle, die am Mittwoch vergangener Woche begann, wurde durch die Wahl des Vier–Sterne–Generals Roh Tae Woo zum designierten Nachfolger des regierenden Diktators Chun Doo Hwan ausgelöst. Erstmals solidarisierten sich am Freitag und Samstag auch Geschäftsleute und Zuschauer außerhalb des studentischen Spektrums mit den Protestaktionen. Berichten der Washington Post zufolge beschimpften elegante Krawattenträger die Polizei als verrückte Bastarde, in den Wohnvierteln stieß der schon tagelang andauernde massenweise Einsatz von Tränengas auf Unmut. Geschäftsleute sind durch die erzwungene Schließung ihrer Läden und die Einnahmeausfälle erbost. 1.500 Zuschauer begrüßten den samstäglichen Sitzstreik mit Beifall und wiederholten die Forderungen der überwiegend studentischen Demonstranten. In Regierungskreisen wird offenbar fieberhaft über das weitere Vorgehen diskutiert. Die derzeitigen Straßenkämpfe sind die schwersten Auseinandersetzungen seit dem blutig niedergeschlagenen Aufstand in der Stadt Kwangju von 1980. Nicht näher benannte Regierungskreise wollten nach Angaben der Washington Post die Ausrufung des Kriegsrechts nicht mehr ausschließen. Die Besetzung der Myongdong–Kathedrale hat sich für die Militanten als großer taktischer Vorteil erwiesen. Priester und Nonnen bilden Menschenketten zum Schutz der Demonstranten und werden dadurch direkt in die Auseinandersetzungen einbezogen. Kirchenführer, die mit verschiedenen Regierungsvertretern in Verhandlungen über eine friedliche Beendigung der Besetzung eingetreten sind, bestehen auf einem freien Geleit für die Demonstranten bei freiwilligem Abzug. Der stellvertretende südkoreanische Innenminister Lee Sang– Hee ist gestern geschlagen und getreten worden, als er versuchte, heimlich in die Kathedrale zu gelangen. Nach Augenzeugenberichten wurde Lee auf dem Weg zur Kirche etwa 50 Meter weit über den Boden gezerrt. Einige der Protestierenden schrien dabei: „Tötet ihn, tötet ihn.“ Erst einschreitenden Studentenführern gelang es, dem Vize–Minister den Weg freizumachen. Die Gegend um die Kathedrale, normalerweise einer der geschäftigsten Einkaufsbezirke Seouls, wirkt seit Ausbruch der seit Jahren schwersten Straßenkämpfe völlig verlassen. Unterdessen haben die Behörden am Freitag die Verhaftung von 13 führenden Oppositionellen bestätigt, darunter der Vizepräsident der größten Oppositionspartei, Yang Soon–Jik, der Vorsitzende der unabhängigen Minjung– Bewegung und des Dissidentenpriesters Park Hyung Gyu.

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