piwik no script img

Weitere Blutplasma-Firma testete lückenhaft

■ Bezirksregierung Braunschweig startet Rückrufaktion für Frischplasma

Hannover (dpa/taz) – Eine weitere Blutplasma-Firma, die im niedersächsischen Osterode ansässige Haemoplas GmbH, hat nicht alle Blutspenden auf das HIV-Virus testen lassen. Die Bezirksregierung Braunschweig ordnete gestern einen vorübergehenden Herstellungsstopp an und startete eine Rückrufaktion für von der Firma bundesweit vertriebenes Frischplasma.

Haemoplas hatte ein Kontrolllabor im nordrhein-westfälischen Wülferath beauftragt, die Blutspenden auf HIV zu testen. Nach einem Untersuchungsbericht des Hygienisch-Bakteriologischen Landesuntersuchungsamtes Nordrhein hat dieses Labor bei Spendern nur die erste Blutspende untersucht und dann nur etwa jede vierte oder fünfte seiner Spenden. Die zwischenzeitlich abgenommenen Spenden seien unregelmäßig oder gar nicht geprüft worden. Diese Praxis verstößt gegen das Arzneimittelrecht, das seit dem 1. Oktober 1985 einen HIV-Antikörper-Test für jede einzelne Blut- oder Plasmaspende vorschreibt.

Haemoplas-Geschäftsführer Frank Giesbert erklärte, Laborleiter Günther Eckert habe immer versichert, jede Spende sei getestet. Seine Firma verfüge über entsprechende schriftliche Bestätigungen. Bei dem Laborleiter handelt es sich um einen früheren Mitarbeiter von Haemoplas, der zuvor Leiter der Blutbank der Medizinischen Hochschule Hannover war. Eckert ist nach Bekanntwerden der lückenhaften Tests als Kontrolleiter bei Haemoplas ausgeschieden.

Haemoplas-Geschäftsführer Giesbert sagte in einem Interview mit dem Privatsender Antenne Niedersachsen, seine Firma habe bislang einen HIV-infizierten Spender gehabt. Nachdem der Verdacht 1990 aufgekommen sei, habe die Firma den Spender sofort gesperrt. Zu diesem Zeitpunkt waren aber bereits drei Patienten, die Blutkonserven von diesem Spender erhalten hatten, infiziert worden. Giesbert warf dem Kontrolllabor vor, es habe den Spender erst fünf bis zehn Wochen später als HIV-positiv gemeldet.

Die Staatsanwaltschaft Göttingen hatte damals bereits wegen angeblicher Auslieferung von HIV- haltigem Blutplasma gegen Haemoplas ermittelt. Mangels Beweisen kam es bei einem Prozeß jedoch zu einem Freispruch. Die Staatsanwaltschaft Göttingen ermittelt nun erneut gegen Haemoplas und ebenfalls gegen das Kontrollabor. Blutprodukte und Unterlagen des Labors wurden sichergestellt.

Daß das Labor Blutspenden lückenhaft testete, war bei einer Kontrolle am Dienstag aufgefallen. Wie der Sprecher des niedersächsischen Sozialministeriums mitteilte, hatte die Behörde aufgrund des Aids-Blut-Skandals die Bezirksregierungen angewiesen, Blutspendedienste und blutverarbeitende Unternehmen zusätzlich zu den Routinekontrollen zu überprüfen. win

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen