: Weiter Generalstreik in Stepanakert
■ Seit neun Tagen stehen die Betriebe still / Selbstkritik der Funktionäre / Nachrichtensperre über Berg–Karabach / Betriebsleiter spricht von „Sabotage“ / Appell des Stadtpartei–Kommitees an Moskau
Moskau (afp) - Die Einwohner von Stepanakert haben ihren Generalstreik auch am Freitag fortgesetzt. Wie ein Redaktionsmitglied der örtlichen Zeitung Sowietski Karabach berichtete, standen die Betriebe der Stadt am Freitag den neunten Tag still. Die 35.000 Einwohner zählende Stadt protestiert gegen die Entscheidung des Obersten Sowjet, ihre Forderung nach einer Wiederan gliederung an Armenien zurückzuweisen. Das Präsidium des Obersten Sowjet der Republik Aserbeidschan hat Fehler eingeräumt. In einer Erklärung des Präsidiums heißt es, es habe Mängel in der Erziehung der Volksgruppen, bei der Lösung sozio–ökonomischer Probleme und in anderen Bereichen in Berg–Karabach gegeben. Die sowjetischen Behörden haben ferner am Freitag eine Nachrichtensperre über die Lage in Berg– Karabach verhängt. Die leitenden KP–Funktionäre von Stepanakert haben erneut an die Führung in Moskau appelliert, das hinter den Streiks stehende Problem zu lösen. Der Appell wurde laut Iswestija auf einer Sitzung des Stadtparteikomitees angenommen. Die Mehrheit der Redner habe die Ausübung von Druck auf die Moskauer Instanzen verurteilt, zugleich aber betont, daß das Berg– Karabach–Problem nicht vom Tisch sei. Die Iswestija zitiert einen Parteifunktionär aus Stepanakert mit den Worten, die Arbeitsniederlegungen lieferten den Gegnern einer Demokratisierung der sowjetischen Gesellschaft das Argument: „Das habt ihr nun davon!“ Er schäme sich, sagte der Funktionär, daß in dem Betrieb, in dem er Parteisekretär sei, gerade ein Fünftel der Belegschaft erschienen sei. Einer der Redner brach während der Sitzung zusammen und weinte. Im Gewerkschaftsorgan Trud hieß es, manche glaubten, es sei notwendig, durch Fernbleiben von der Arbeit ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen. Trud und das Jugendorgan Komsomolskaja Prawda zitieren andererseits einen Betriebsleiter mit den Worten, sein Betrieb stehe am Rande der Katastrophe. Deshalb sage er rundheraus: „Fernbleiben von der Arbeit ist Sabotage.“
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