piwik no script img

Weiter Akten mit NSU-Bezug vernichtetSchredder-Stopp angeordnet

Das Bundesinnenministerium hat eine Schredder-Aktion bei Akten mit NSU-Bezug eingeräumt. Seit Mittwoch dürfen keine Akten mehr aus dem Bereich Rechtsextremismus vernichtet werden.

Hinter Gittern: Diese Ordner haben überlebt. Bild: dpa

BERLIN dpa | Auch einen Monat nach Auffliegen des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) sind im Bundesamt für Verfassungsschutz noch Akten mit Bezug zu der Terrorzelle vernichtet worden. Bei den am 5. Dezember 2011 gelöschten Daten handele es sich um Beweismittel zu Abhöraktionen, die Personen mit Kontakt zu NSU-Mitgliedern betrafen, sagte Ministeriumssprecher Jens Teschke am Freitag in Berlin. Einen Bezug zu Straftaten der NSU gebe es aber nicht. Der Terrorzelle, die jahrelang unentdeckt blieb, werden zehn Morde zugeschrieben.

Bisher war nur eine Schredder-Aktion vom November 2011 bekannt, bei der wenige Tage nach Auffliegen der NSU Akten zur Thüringer Neonazi-Szene – aus der die Terrorzelle stammt – vernichtet wurden. Deswegen laufen gegen drei Mitarbeiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz disziplinarrechtliche Ermittlungen. Der Untersuchungsausschuss des Bundestags hat inzwischen kaum noch Zweifel, dass es sich um eine gezielte Vernichtungsaktion handelte. Das Motiv ist aber unklar.

Teschke räumte ein, dass auch im April und Mai 2012 im Bundesamt noch Akten vernichtet worden seien, bei denen die Frage des NSU-Bezugs noch nicht geklärt sei. „Das liegt mir derzeit noch nicht vor, was da jetzt genau in diesen Akten steht“, sagte er. Teschke betonte, dass die Anweisung des Innenministeriums für alle diese Löschaktionen bereits 2005 ergangen sei. Er erklärte die Verzögerung mit gesetzlichen Fristen und einem regelrechten Aktenstau vor den Reißwölfen des Verfassungsschutzes. „Im Grunde haben wir einen gewaltigen Rückstand von Löschungen, der immer wieder abgearbeitet werden muss.“

Einen Schredder-Stopp für Akten über Abhöraktionen im Bundesamt für Verfassungsschutz gab es erst Anfang Juli. Und erst am vergangenen Mittwoch ordnete das Innenministerium an, keinerlei personenbezogenen Daten aus dem Bereich Rechtsextremismus mehr zu löschen.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • FS
    Ferdinand Siegler

    @ Jörn: Friedrich ist ein rücksichtsloser Karrierist, der wie alle seines Schlages so sehr am Sessel klebt, dass man da nicht mehr wirklich von einer Trennung in zwei Objekte ausgehen kann.

     

    Vermutlich hegt er wie alle CSU-Granden irgendwo tief innen den Wunsch, eines Tages zum Unions-Kanzlerkandidaten zu werden: etwa, wenn die Bürger von irgendeinem Terroranschlag eingeschüchtert sind und einen wählen möchten, der das Spucken großer Töne und den Kampf gegen Bürgerrechte schon viel früher zum Teil seines allgemeinen Imageschadens gemacht hat.

     

    Die Antwort wäre hier also: er geht erst dann, wenn ihm ein CSU-Parteikollege ein Messer in den Rücken gestoßen hat, oder wenn Frau Merkel (wieder mal) beschlossen hat, dass Herr Friedrich ein zu gefährlicher unionsinterner Konkurrent geworden ist.

     

    Übrigens: wie viele andere Bayern schäme auch ich mich für diesen Mann und für seine ganze, von Lobbyismus und Kleingeisterei zerfressene Partei!

  • C
    Celsus

    Besser der Minister trifft mal spät als nie eine richtige und wichtige Entscheidung. Hoffen wir mal, dass es da eh nicht schon so weit war, dass die wichtigsten Akten vernichtet waren. Das Vertrauen in einen Minister, der das nicht schon nach einer ersten Aktenvernichtung angeordnet hat, ist allerdings schwer erschüttert.

     

    Abgesehen davon können Normalbürger_innen ja inzwischen das NSUleaks einsehen. Für taz lesende Bürger_innen vielleicht keine so umwerfend neuen Erkenntnisse. Aber eben nette Schreiben mit O-Tönen dabei. Und hier fasse ich mir an den Kopf:

     

    Da werden Rechtsextremisten mit allen möglichen Aktivitäten und Straftaten bis hin zun Wehrsportgruppen geschildert und wie lautete das Resüme? Keine Gefahr von rechts? Um so eine Meinung zu vertrten braucht es schon unsere echten Spitzenbeamten und die sie aussuchenden und haltenden Spitzenminister. Denn klar, die werden sicherlich nur Wehrsport betreiben, um damit ganz ehrenvolle Ziele zu verfolgen. (Ironie off)

     

    Das Normalvolk wusste es nur besser als in offiziellen Verlautbarugnen, weil die Medien damit wesentlich kritischer umgingen. Sollte der Innenminister neue Verfassungschutzpräsident mal taz-Ausgaben kostenlos zugesendt bekommen, in dennen es um Rechtsextremismus geht? Würde zur Bildugn sicherlich beitragen.

  • J
    Jörn

    Wann geht Friedrich endlich?

    Zumindest in einem Fall ist es öffentlich, dass das Innenministerium die Beweisvernichtung anordnete. Auch bei den anderen Fällen ist undenkbar, dass das Innenministerium nicht informiert war. Statt auf einen Neuanfang beim Verfassungsschutz setzt Friedrich auf einen schrecklichen Juristen, der das Recht beugt um Menschenrechtsverletztungen zu legitimieren. Was muss noch geschehen, dass Friedrich geht?