berliner szenen: Weinbau in Berlin
Klosterkorrespondenz
Mein Freund G. hat ein Schwäche für Korrespondenzen mit Behörden und ähnlichen Einrichtungen. „Man muss diese armen Menschen aus ihrer institutionellen Vereinzelung reißen und zum Dialog zwingen“, begründet G. seinen Eifer. Vor einigen Wochen zeigte er mir bei Bier und Steckrübensuppe seine Sammlung. Wunderbar! Sieben Briefe um die steuerliche Absetzbarkeit von G.s Goldfisch samt Glas als Büroausstattung. „Der Sachbearbeiter schaffte sich daraufhin selbst einen an. Wir treffen uns ab und an beim Futterkauf.“
Und sein Briefwechsel mit der Wohnungsverwaltung. Frau S. von der WIP und G. disputierten briefelang über die Möglichkeit, eine Wand in G.s Wohnung zu versetzen und so das Bad zu vergrößern. Statisch wäre das kein Problem, so G., der von solchen Sachen was versteht. Frau S. hatte Vorbehalte wegen der baulichen Substanz, worauf G. nur entgegnete, ob sie etwa unter dem Putz romanische Rundbögen vermutete. Frau S. wollte sich kümmern, dann tauchte ein Alteigentümer auf, die Sache verlief sich.
Doch in Berlin geht nichts je endgültig verloren und amtliche Wege sind unergründlich: Letzte Woche standen zwei Männer vom Landesdenkmalamt vor G.s Tür. „Sie haben einen historischen Fund angezeigt.“ Und nachdem sie die Wand im Bad freigelegt hatten: „Etwas ganz Besonderes. Das sind Reste eines Klosters.“ – „Hier in der Lottumstraße?“ – „Die Mönche siedelten gern am Fuße von Hügeln. Weinbau, Sie verstehen? – „Im vierten Stock?“ – „Die konnten was, die alten Baumeister. Denken Sie nur an die Kathedralen.“ Angesichts des geballten amtlichen Sachverstands stellte G. seine Zweifel zurück. Er betreibt jetzt mit aller Kraft und zahlreichen Briefen den Wiederaufbau des Klosters.
CARSTEN WÜRMANN
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