■ Vorschlag
: Weil es so schön war: Es jrient so so jrien – „My Fair Lady“ wird wieder am Theater des Westens aufgeführt

In finsteren Zeiten greift man gern auf Bewährtes zurück. Während es über dem verwaisten Metropol und den beiden Ku'damm- Boulevardtheatern ganz gewaltig menetekelt, besinnt sich das Theater des Westens auf seinen größten Erfolg. Mit der deutschen Erstaufführung von „My Fair Lady“ begann 1961 die Musical-Tradition der Bühne. Das stets ausverkaufte Stück lief länger als zwei Jahre. 1994, schon in der Ära der Sparklausuren, grünte es dann zum zweitenmal so grün im Theater des Westens. Jetzt wurde diese Inszenierung wieder aufgenommen – weil's so schön war.

Sylvia Wintergrün ist eine umwerfend freche und lebendige Eliza. Selbst als Professor Higgins ihre Stimme längst auf ladylike gedrillt hat, kommt das quäkige Marktweib-Timbre hier und da zum Vorschein. Diese Eliza setzt sich durch, und so war es nur konsequent, daß Regisseur Rolf von Sydow sie vor drei Jahren Higgins verschmähen und einen eigenen Blumenladen eröffnen ließ. Ein Schluß, der auch Shaws „Pygmalion“ näherkommt. Gegen das emanzipierte Happy-End protestierten allerdings die Inhaber der Bühnenrechte, so daß Eliza in der Wiederaufnahme nun doch wie gehabt zu Higgins und seinen Pantoffeln zurückkehrt. Zum Vorhergegangenen will das allerdings nicht recht passen, denn Intendant Helmut Baumann spielt den Professor als uncharmanten, verknöcherten Menschenfeind. Mit Anstrengung macht er sich so eckig und eklig wie nur möglich. Den schmachtenden Liebhaber nimmt man ihm danach einfach nicht ab.

Sonst aber ist alles ganz prächtig. Auf Kathrin Keglers Bühne schiebt sich eine ungeheure Freitreppe vor die trauliche Kneipe, in der Elizas Vater (Hans Teuscher) mit Schnapsstimme das große Moralistenwort führt. Die sensationellen Kostüme für die Ball- und Ascotszenen haben es durchaus verdient, daß sie auch bei dem Mode-Spektakel „Der große Q“ Ende August vorgeführt werden sollen. Nur die Penner und Armen wirken ein Ideechen zu pittoresk. Dagegen sticht der Bettler, der sich in der Pause vor dem Theater niederläßt, peinlich von dem aufgebrezelten Publikum ab. Ob „My Fair Lady“ auch wegen seiner altmodisch verbrämten, längst harmlos gewordenen Sozialkritik so beliebt ist? Manche Zuschauer bewegen die Lippen mit, weil sie alles längst auswendig können. „Es jrient... Es grünt so grün!“ sagt Eliza. Und von den billigen Plätzen tönt es begeistert: „Jetzt hat ses!“ Miriam Hoffmeyer

Heute, 20 Uhr, im Theater des Westens, Kantstr. 12, Charlottenburg