piwik no script img

Weihnachten noch nicht vorbeiZweites Konjunkturpaket beschlossen

CDU, CDU und SPD haben in Berlin weitere milliardenschwere Maßnahmen zur Stützung der Konjunktur verabredet. Experten erwarten eine Rekord-Neuverschuldung.

Volker Kauder (CDU), Peter Struck (SPD) und Peter Ramsauer (CSU). Bild: dpa

BERLIN afp Die Spitzen der Koalition haben sich bei einem Treffen im Kanzleramt in Berlin auf ein zweites milliardenschweres Konjunkturpaket geeinigt. CDU, CSU und SPD verständigten sich nach eigenen Angaben am Montagabend auf Maßnahmen eines Volumens von insgesamt 50 Milliarden Euro. Der CDU-Haushaltsexperte Peter Kampeter warnte vor einer Neuverschuldung in Rekordhöhe. FDP-Chef Guido Westerwelle kritisierte das Paket scharf.

SPD-Fraktionschef Peter Struck sagte nach den rund fünfeinhalbstündigen Beratungen unter Leitung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Teil des Pakets sei ein "großer Investitionspakt", getragen von Bund, Ländern und Gemeinden in einer Größenordnung von 17 bis 18 Milliarden Euro. Hinzu kämen Maßnahmen zur Senkung von Steuern und Abgaben in einem Umfang von 18 Milliarden Euro. Weiterhin gibt es laut Struck einen Kinderbonus von 100 Euro pro Kind. Auch soll der Regelsatz für Kinder von Hartz IV-Empfängern von 60 auf 70 Prozent erhöht werden.

Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) sagte, nach dem auf zwei Jahre angelegten Paket werde der Krankenkassenbeitrag paritätisch für Arbeitgeber und Arbeitnehmer um 0,6 Prozent auf 14,9 Prozent abgesenkt. Die Entlastungen sollten am 1. Juli in Kraft treten. Laut Kauder soll es zudem für jedes 2009 zugelassene Auto einen Zuschuss von 2500 Euro geben, wenn ein Altauto verschrottet wird. Bei der Steuer einigten sich Kauder zufolge Union und SPD auf eine Absenkung des Eingangssteuersatzes von 15 auf 14 Prozent.

Der Unionsfraktionschef kündigte an, die Koalition werde sich "Gedanken" darüber machen, wie eine "Rückführung der Schulden" in den Haushalt erfolgen könne. CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer hob hervor, die Koalition habe das Thema Schulden im Griff.

Der CDU-Haushaltsexperte Steffen Kampeter sagte hingegen dem "Handelsblatt" (Dienstagsausgabe), er rechne wegen der Kosten für die Konjunkturpakete und für die Rückkehr zur Pendlerpauschale mit einer Rekord-Neuverschuldung von etwa 60 Milliarden Euro. Damit drohe die Nettokreditaufnahme des Bundes 2009 den bisherigen Schuldenrekord von CSU-Finanzminister Theo Waigel von gut 40 Milliarden Euro deutlich zu übersteigen.

Angesichts der drohenden hohen Neuverschuldung gab es auch Forderungen nach einer stärkeren Belastung der Rentner. Die Frage der Schulden sei "auch eine Frage des Generationenvertrages", sagte der Vorsitzende des Haushaltsausschusses im Bundestag, Otto Fricke (FDP), der "Bild"-Zeitung. Auch Rentner und Pensionäre hätten "eine Verantwortung, damit die Belastungen, die die Finanzkrise hervorruft, für unsere Kinder nicht zu groß werden."

Der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Norbert Walter, forderte eine schnellere Heraufsetzung des Renteneintrittsalters auf 67. Eine schnelle Wirkung des Konjunkturpakets erwartete er nicht: Vieles von dem, was jetzt auf den Weg gebracht werde, werde sich erst Ende des Jahres oder sogar erst 2010 auswirken - "nach meinem Urteil eher zu spät", sagte Walter im Fernsehsender N24.

Scharfe Kritik kam aus der FDP: "So wie es bisher angelegt ist, kann dieses Paket nicht ausreichend wirken", sagte Parteichef Guido Westerwelle dem "Münchner Merkur" (Dienstagsausgabe). Der Bundesregierung fehle "der Mut, die Bürger spürbar zu entlasten". Die durchschnittliche Steuerentlastung werde bei einem normalen Haushalt gerade bei zehn oder 15 Euro im Monat liegen. Es sei "albern" zu glauben, mit so banalen Beträgen die Konjunktur stabilisieren zu können.

FDP-Generalsekretär Dirk Niebel forderte Merkel im "Hamburger Abendblatt" (Dienstagsausgabe) auf, bei ihrer Regierungserklärung am Mittwoch gleich einen Schuldentilgungsplan für die mit dem Paket verbundenen Milliarden vorzulegen.

Laut Struck soll das Kabinett voraussichtlich schon in der kommenden Woche über das Paket entscheiden. Bundestag und Bundesrat sollten dann Ende Januar, Anfang Februar, teilweise in Sondersitzungen abstimmen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

11 Kommentare

 / 
  • W
    wanja

    Wieder eine verpasste milliardenschwere Chance. Fast nichts für den Ausbau von Solarenergie auf Gebäuden, Repowering von Windkraftanlagen (Ersatz alter Modelle durch effizientere neue), Wellenkraft, Erdwärme ... womit zugleich Tausende neuer Arbeitsplätze entstehen würden (mehr als bei Autokonzernen ggf. entlassen werden). Auch keine gezielte Förderung energiesparsamer Kfz oder gar innovativ-umweltbewusster Verkehrskonzepte. Einfach jämmerlich, v.a. zum Schaden gegenwärtiger und zukünftiger Generationen.

  • WS
    Winfried Schneider

    Statt MwSt. senken, wie in GB, MwSt.-Erhöhung androhen(!) und vorher Bargeld ausschütten. Überraschende Idee, zunächst, die sich auf den zweiten Blick als sehr interessant entpuppt: 82 Mio. Bürger x 300 macht 24 Mrd., weniger als die Hälfte des von unsrer Flickschuster-Truppe names Regierung geplanten Summe. Und die 24 Mrd. hätten gute Chancen, nicht auf dem Sparkonto zu landen. Hat Charme!

     

    Nur das mit der MwSt. ist noch zu differenzieren, z.B. durch Schaffung eines zweiten reduzierten Satzes von 16%, so dass nur einzelne Güter vom Regelsatz 24-25% betroffen wären, Autos etwa und Inlandsflüge. Dazu noch Handwerker und ÖPNV von der MwSt. ganz befreien...

  • M
    Max

    Das Öl muss fließen. Da haben Kinder nichts zu melden. Wen wundert es denn noch, dass der einzelne Mensch weniger wert ist, als ein Massenprodukt, das jeder einmal besitzen wird.

     

    Man sollte sich nicht wundern, da die Auto- und Ölindustrie neben Pharma- und Chemieriesen den größten Einfluss auf das Königshaus haben.

     

    Wäre jetzt nicht der Zeitpunkt, um in Solar und Elektroantrieb zu investieren. Ja, spätestens jetzt. Da würde Otto von nebenan gleich lieber ein dreckfreies Mobil kaufen, als eines mit lobbyvertriebenem Dreckausstoß. Und weil ihm das Benzinkosten sparen würde, würde er auch einen höheren Anschaffungspreis tolerieren.

     

    "Aber hören Sie mal auf zu träumen.

    Es darf doch nicht so weit kommen, dass der Bürger entscheidet, was gut für ihn ist. Also bitte."

     

    Jetzt ist nicht nur die Zeit, um zu protestieren. Es ist die Zeit um bewusst zu boykottieren.

    Wieso kaufen wir uns alle nicht ein Elektromobil.

    Wir haben die Macht des Einzelnen durch Wahlen verloren, weil wir eigentlich keine wirkliche Wahl haben.

    Die wirkliche Wahl geht heutzutage über den Konsum. Und jetzt erzält jeder dem Otto, wie es geht.

  • JB
    Joachim Bovier

    Mit Siebenmeilenstiefeln in die Staatswirtschaft

     

    Diese sogenannten Milliarden-Entlastungen erweisen sich bei genauerer Betrachtung als ein wenig überzeugendes Gestoppel auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner. Eine überzeugende Initiative zur Belebung der lahmenden Wirtschaft ist das jedenfalls nicht - schon gar keine getragen vom Geist der Marktwirtschaft.

     

    Dabei wäre es so einfach: Die 20-prozentige Mehrwertsteuererhöhung um 3 Prozentpunkte ("Merkelsteuer") zurücknehmen und den Soli-Ost nach 20 Jahren endlich abschaffen. Das wäre ein Zeichen!

     

    Stattdessen führen die beiden sozialistischen Parteien roter und schwarzer Farbe unser Land mit Siebenmeilenstiefeln in die kollektivistische Staatswirtschaft, Verstaatlichung inclusive. Anstatt dem Bürger wenigstens das zuvor erst durch Steuer- und Abgabenerhöhungen genommene Geld zurückzugeben besitzt diese Regierung der Steuer- und Abgabenerhöhung die Dreistigkeit sich nun auch noch als Heilsbringer feiern lassen zu wollen. Um es ganz deutlich zu sagen: Niemals zuvor hat eine deutsche Regierung so schamlos seine Bürger abgezockt, nun gibt es Brosamen.

     

    Diese verfehlte Politik bedarf mehr denn je der liberalen Korrektur. Das gilt für CDU und SPD gleicher massen, da die Merkel CDU sich offenkundig von Ludwig Erhard verabschiedet hat.

     

    Im Wahljahr 2009 sollte der Wähler darüber im Klaren sein, dass es wirklich spürbare Steuersenkungen nur mit der FDP geben wird.

    Gott bewahre unser Land vor weiteren vier Jahren großer Koalition.

  • LP
    Ludwig Paul Häußner

    Steuerbonus und MwSt-Erhöhung zur Globarsteuerung statt einerzelner Steuergeschenke

     

    Über die jüngst eingeführte persönliche Steueridentifikationsnummer wäre es möglich an jede(n) BürgerIn einen Steuerbonus in Höhe von 300,-- auszuzahlen - z. B. zum 01. 04. 2009. Eine vierköpfige Famlie hätte dann immerhin 1.200,-- € mehr netto im Jahr. Im Gegenzug müsste die MwSt-Steuer von 19% auf 22% erhöht werden um Haushaltslöcher zu vermeiden - z. B. zum 01. 07. 2009. Dem könnte ein Jahr später ein zweiter Schritt auf 600,-- € Steuerbonus und einen MwSt-Satz von - EU-konformen - 25% folgen.

     

    Das Ganze ist mehr als ein Nullsummenspiel. 300,--Euro Steuerbonus sind für einen Facharbeiter oder eine Krankschwester real mehr als für einen Manager oder eine Ärztin. Zudem würde durch die beabsichtigte MwSt-Steuererhöhung auch der Hang zur Geldhortung und die Gefahr einer drohenden Deflationskrise bekämpft.

     

    Durch diese Globalsteuerung würde sich das Konjunkturklima erheblich verbessern und der Strukturwandel zur nachindustriellen Dienstleistungs-, Wissens- und Kulturgesellschaft beschleunigt. Überdies wäre mit dem Steuerbonus der dringend erforderliche Einstieg in ein bedingungsloses Grundeinkommen als Grundrecht getan.

     

    Ludwig Paul Häußner Universität Karlsruhe (TH)

  • J
    JanRasmus

    Mieser geht es nicht mehr. Für völligen Schwachsinn wie die Altautoprämie (Hallo? Warum soll ich die Zeche für verfehlte Modellpolitik der Hersteller zahlen - zumal, solange diese größtenteils immer noch Gewinne schreiben!) und den "Schutzschirm" (Gleiche Frage: Warum soll ich es finanzieren, dass die Banken ihre Fehler auf den Staat abwälzen - und ihre Aufgabe gleich mit?!) werden beispiellose Geldbeträge zum Fenster herausgeworfen, die die jungen Generationen überhaupt erst erwirtschaften müssen. Eine asoziale Politik auf Kosten der Zukunft...die Ausbeutung der Jugend durch alte Wirtschaftsheinis und ebenso alte Politiker - wo bleibt '68 2.0??? Wann, wenn nicht jetzt?

  • C
    Chrich

    Jawoll, Go for blech! Es sollte umgekehrt sein. 100 Euro fürs Auto und 2500 fürs Kind. Aber was soll man ohne Lobby auch schon machen...?

  • M
    michaelbolz

    Das Auffälligste an der Sache ist (außer: das Packet ist wie es ist im Grunde Mist) und bleibt - wie fürnehm unserer Königin gelingt, sich aus der Sache herauszuhalten - und sich gleichzeitig feiern und doch sehr wahrscheinlich wiederwählen zu lassen.

    Wo ist unsere Kanzlerin?

  • H
    Hans

    Und die Rentner gehen wieder mal leer aus. Im Gegenteil, die Krankenkassenbeiträge stiegen um 2 %. Davon bekommen sie 0,6 % zurück. Die Rentner können nur hoffen, dass die Rezession anhält, weil dann die Preise fallen.

  • GF
    Go for blech

    Für ein altes kaputtes Auto soll es also 2500€ geben und für die Zukunft unseres Landes ( Kind ) 100€. Aha...

  • BG
    Boris Gross

    Das ist doch alles nur Wahlkampf der jetzt schon begonnen hat.

    Die Probleme in diesem Land werden nicht wirklich angegangen.