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Wehende Collagen

■ Erfrischend ideologiefrei diskutierte der Hörspielnachwuchs auf einem Forum der Filmstiftung NRW über Anbiederung, Erziehungsanspruch und das Internet

Neulich im Zug nach Dortmund: „Sind Lautsprecher immer laut?“ fragt der Nachwuchs seinen Papa. „Nö“, wird zurückgenuschelt, „du kannst Benjamin Blümchen doch auch leise hören.“ Was für ein schönes Hors d'÷uvre zum Hörspielforum, das die Filmstiftung Nordrhein-Westfalen seit 1994 jährlich veranstaltet. Ein Programm mit Stoff für zwei dicke Wochen stellt die Hörkunst, ihre Inhalte und neue Medien zur Diskussion. Geladen waren vor allem die Kleinen der Audiofamilie, und skeptisch taxierte man die Runde. Nachwuchspflege? Ja, wirklich: Graue Schläfen waren dünn gesät, und überwiegend Thirtysomethings unterbrechen den ersten Vortrag durch verdiente Lacher.

Hermann Bohlen las mit sanfter Ironie und liebenswerter Selbstdemontage dem Hörspielbetrieb die Leviten. Der junge Autor verlangt ein besseres Marketing für diese Kunst und rückt auch das Hörer- Redaktions-Verhältnis zurecht: Irgendwo zwischen peinlicher Anbiederung und Erziehungsanspruch sollte es liegen. Dann ein milder Angriff auf manche in der Szene, die Nabelschau per se mit Kunst verwechseln.

Angenehm ideologiefrei und eher lebensnah sprach man im Forum auch vom Internet: weder als Gefahr noch als Wunderwaffe gegen die Marginalisierung des Hörspiels, aber durchaus als „anarchisches Potential“, das redaktionsfreie Zonen schafft. Dennoch bestritt wohl keiner, daß die Netznutzung (noch) sehr problematisch ist: Zwar kann theoretisch jeder überall alles senden – doch woher kommen dann die Honorare? Probleme auch auf der Hörerseite: Wer sich noch nie in den Warteschleifen des Internets verfangen hat, der lernte sie in einer Vorführung kennen. Beim Polizeifunk Dallas ist gar nichts zu hören, BR 5 weht seine Nachrichten als unfreiwillige Collage in die Runde. Und Radio Belgrad umgeht zwar dank Internet die Zensur – doch wer hängt dort überhaupt am Netz?

Keine Frage, der Rundfunk ist im Umbruch. Aber trotz knapper werdender Geldmittel war auch in den Arbeitsgruppen von Platzhirschgerangel keine Spur. Mit spielerischem Witz wurden Sprechhörspiele erstellt, Klangcollagen am Computer gebaut oder fertige Werke besprochen. Statt des sonst üblichen öden Ästhetikstreits ließ ein Vortrag Hörkunstgeschichte Revue passieren. Und wenn schon die frühen dreißiger Jahre alles gleichzeitig konnten – wortwörtlich erzählen und rein klanglich arbeiten –, warum sich dann heute die Köpfe einschlagen? Die drei munteren Forumstage machten klar, daß einer rosigen Hörspiel-Zukunft nur noch die schwarzen Klamotten der Szene im Weg stehen. Gaby Hartel

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