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Wegweisendes UrteilDeutsche sein und Türkin bleiben

Ein Gericht gibt einer 14-Jährigen recht, die Deutsche werden will und Türkin bleiben muss. Die Einbürgerung führe nicht zum Verlust der türkischen Staatsangehörigkeit.

Türkische und deutsche Fans feiern gemeinsam auf einer Fanmeile. Bild: ReclBox - Lizenz: CC-BY-ND

BERLIN taz | Der grüne Migrationspolitiker Mehmet Kilic hält das Urteil für "wegweisend": Das Stuttgarter Verwaltungsgericht hat das Land Baden-Württemberg verpflichtet, eine 14-jährige Türkin einzubürgern und dabei ihre Mehrstaatlichkeit in Kauf zu nehmen. Denn der türkische Staat, so das Verwaltungsgericht, mache ihre Entlassung aus der Staatsangehörigkeit von unzumutbaren Bedingungen abhängig. Soweit bekannt, ist es der erste Fall dieser Art und könnte, so Gerichtssprecherin Ulrike Zeitler, "zur Richtschnur für andere Fälle" werden.

Im vorliegenden Fall geht es um eine 1995 in Deutschland geborene Türkin, deren Eltern ebenfalls türkische Staatsbürger sind. Ihr Einbürgerungsantrag wurde im August 2008 abgelehnt. Eine Einbürgerung könne nur erfolgen, wenn sie die türkische Staatsbürgerschaft abgebe, so die Begründung des zuständigen Landratsamts.

Die 14-Jährige klagte. Die Verwaltungsrichter gaben ihr bereits im September recht und verpflichteten Baden-Württemberg zur Einbürgerung. Denn dem Mädchen sei es nicht möglich, in zumutbarer Weise aus der türkischen Staatsangehörigkeit entlassen zu werden.

Ihre Einbürgerung in Deutschland führe nach türkischem Recht nicht zum Verlust der türkischen Staatsangehörigkeit. Sie könne diese aber auch nicht aufgeben. Denn dies geht bei Minderjährigen nur, wenn beide Eltern ebenfalls die eigene Ausbürgerung beantragen. Die 14-Jährige müsste also bis zu ihrer Volljährigkeit warten. Dies, entschied das Gericht, sei nicht zumutbar.

Das Land legte gegen das Urteil zunächst Berufung ein, zog sie später aber zurück. Das Urteil ist jetzt rechtskräftig. Die Klägerin wird laut Gerichtssprecherin Zeitler zu ihrem 18. Geburtstag per Brief gebeten werden, die türkische Staatsangehörigkeit aufzugeben. "Ob sie das tut, ist ihr überlassen."

Damit ist die junge Frau besser gestellt als hier geborene türkischstämmige Jugendliche, die unter die sogenannte Optionspflicht fallen. Sie bekommen mit der Geburt die doppelte Staatsbürgerschaft, müssen aber spätestens mit 23 Jahren einen der beiden Pässe abzugeben.

Der grüne Bundestagsabgeordnete Kilic hofft nun, dass mehr junge TürkInnen die doppelte Staatsbürgerschaft per Klage durchsetzen. "Die Mehrstaatlichkeit wird immer mehr zum Regelfall", sagt er. Ohnehin gelte die Optionspflicht für EU-BürgerInnen nicht. Die Grünen fordern seit langem, die Optionspflicht abzuschaffen.

(AZ: 11 K 3612/09)

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14 Kommentare

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  • J
    Jenny

    @ guate

    "solche Leute sind mal Deutsche, mal Türken"

    Ist dir schonmal aufgefallen, dass ein Türke niemals als "richtiger" Deutscher angesehen wird selbst wenn er die Staabü annimmt. Er ist entweder Deutscher mit Migrationshintergrund, Deutschtürke und das Geilste, was ich bisher gelesen habe "Türke mit deutscher Staatsbürgerschaft".

     

    Integration muss auf beiden Seiten stattfinden und wenn ich manche Kommentare hier lese, wird mir ganz anders.

     

    Wovor fürchten sich soviele Leute? Ich verstehe das einfach nicht. Welcher Vorteil würde diesen Menschen durch Mehrstaatigkeit gegenüber den anderen gegeben - keiner. Welcher Nachteil würde entstehen - auch keiner.

     

    Es ist lächerlich Europäern, die NICHT seit Jahrzehnten in Deutschland leben diese Möglichkeit zu geben und anderen nicht.

     

    @ HamburgerX

    "Es kann doch nicht sein, dass deutsches Recht verbogen wird, weil das Recht außerhalb Deutschlands von unserem abweicht."

    Ob du es glaubst oder nicht: Hier wird nichts verbogen, es gilt deutsches Recht. Das deutsche Gesetzt erlaubt Mehrstaatigkeit wenn unzumutbare Umstände bestehen, d.h. der Einzubürgernde nicht aus seiner ursprünglichen Staatsbürgerschaft austreten kann. Hier wird also nichts verbogen...

     

    @Majo

    "Da labern alle von Integration, aber weder die junge Türkin, noch deren Eltern oder das deutsche Gericht möchten, dass sie ganz deutsche Staatsbürgerin wird."

    Die Eltern wollen mit Sicherheit, dass sie Deutsche wird ebenso das Mädchen, denn sonst hätten sie wohl kaum geklagt. Das deutsche Gericht vermutlich auch, sonst hätten sie der Klage nicht stattgegeben.

     

    @ Nebahat

    "Wenn das Mädchen eine Deutsche sein will, das soll sie sich entscheiden [...]"

    Wenn du mal genau liest, wirst du feststellen, dass das Mädchen eben NICHT die Wahl hatte - sie wollte ihre türk. Staatsbürgerschaft aufgeben, um die deutsche anzunehmen, konnte erstere aber nicht aufgeben, weil sie minderjährig ist. Sie WILL Deutsche sein und MUSS Türkin bleiben - weil sie minderjährig ist.

     

    @ Marvi

    "ein Urteil GEGEN Integration", das ich nicht lache.

  • B
    benschi

    Wenn ich mir die Kommentare hier so anschaue, habe ich fast das Gefühl es mit FAZ-Lesern zu tun zu haben und nicht mit der taz...

     

    Auweia Deutschland!

  • T
    Tom

    1. Sie soll sich mit 18 entscheiden

    2. Doppelstaatsbürgerschaften kenne ich haupsächlich von Lumpen. Meist ging es um Immobilienkäufe im Ausland und hier fröhlich Hartz IV weiter beziehen. Kann man mit 14 noch ausschliessen.

    3. Ein gesichteres Bleiberecht könnten sie schon haben. Mit Einbürgerung. Aber darum muss man sich kümmern.

    4. Das es ein Mädchen ist hätte keiner schreiben müssen. Jungs haben die Idee erst mit 27. Damit sie nicht in dem Staat dienen müssen der für sie sorgen soll.

  • R
    rundmc

    Bei jedem Thema wo ein Türke auftaucht wird gleich mit der Integrationskeule rumhergeschleudert. Das bestätigt nur, dass wir hier in Deutschland nicht willkommen sind egal ob wir Qualifiziert sind oder nicht. Zum einen heißt es in heutiger Zeit, die Türken in Deutschland sind am schlechtesten integriert und haben den schlechtesten Abschluss im vergleich zu anderen Ausländern. Doch widerrum, wenn wir qualifiziert sind nehmen wir euch ja die Arbeitsplätze weg nicht wahr? Sagt doch direkt wir wollen unter uns bleiben also ziggert ab.

     

    Zum Thema: Was ist jetzt nun so schlimm an der Doppelbürgerschaft?

    Bin ich jetzt deshalb weniger integriert?

    Und nein ich brauche nicht eine deutsche Freundin zu haben um integriert zu sein! Das solche Punkte bei der Studie angerechnet werden ist lächerlich.Vllt stehe ich optisch nicht auf Deutsche sondern Russen etc? Will man mit integrations die Freiheit die mir zusteht einschkränken? Nein Danke.

    ICh bin froh in diesem Land zu leben und es ist meine Heimat. Meine Wurzeln liegen in der Türkei. Werde mich auch nicht assimilieren lassen !!!

  • R
    roterbaron

    Ich wundere mich immer wieder, wie viele geistig arme Leute die taz lesen bzw. hier ihren Schund abaden.

     

    Was kann denn bitte das Mädchen dafür ,wenn ihr die türkische Staatsbürgerschaft, selbst auf Wunsch, nicht entzogen wird, bzw. was hat die Staatsbürgerschaft mit Integration zu tun?

     

    So ein Lappen macht mich nicht automatisch zu irgendeinem Integrierten. Integration hat etwas mit Beteiligung am gesellschafftlichen Leben zu tun.

    Demzufolge dürfte übrigens ein Großteil der Arbeitslosen HartzIV-Empfänger wohl auch nicht als integriert gelten , obwohl sie die Staatsbürgerschaft besitzen.

     

    Ich lebe seit 19 Jahren hier, habe das Abitur hier abgelegt, spreche besseres Deutsch als auch nur die hälfte der sogg. "Deutschen" und arbeite hier seit ich 13 Jahre alt bin.(damit will ich niemanden Beleidigen!Lediglich die Gruppe derer ansprechen, die Migranten ständig in irgendwelchen Parallelgesellschaften sehen wollen)

     

    Ich habe die doppelte Staatsbürgerschaft(deutsch/syrisch)!Nicht, weil ich mich nicht entscheiden kann, sondern lediglich weil es in meinem Geburtsland gar keine Möglichkeit gibt sich die Staatsangehörigkeit praktisch aberkennen zu lassen. Das ist dort nicht vorgesehen,

    ergo nicht möglich.

    (Theoretisch bin ich kein Syrer mehr,meine Eltern haben die Ausbürgerung vor 15 Jahren beantragt, dass schert dort aber weder den Zoll noch Das Amt, ich muss immer volle Gebühren bei der Ausreise nach DE bezahlen und könnte mir theoretisch einen syrischen Perso zulegen oder dort arbeiten. Das alles nur, weil in meinem deustchen! Pass steht, dass ich dort geboren bin... . Die Türkei scheint ähnliche, allerdings nicht ganz so krasse, Gesetze zu haben.)

     

    Was kann ich dafür? NIchts! Was kann die junge Türkin dafür? Nichts!

     

    Lasst mal die Kirche im Dorf und euer Stammtischgequatsche in eurem Bart.

  • G
    guate

    der türkische Staat schafft also " unzumutbare Bedingungen " - mir kommen gleich die Tränen - und der deutsche gibt brav nach, lässt sich so indirekt hineinregieren... solche Leute sind mal Deutsche, mal Türken wollen lediglich je nach Vorteil rumjonglieren, mal deutsch, mal türkisch sein, besser wäre hier die zu einer klaren Entscheidung zu verpflichten - ich bin sowieso gegen einen Eu Beitritt der Türkei, dann haben wir hier Millionen solcher jonglierenden Clowns ! Hoffentlich wird mein Kommentar jetzt nicht als " politisch nicht korrekt " nicht veröffentlicht !

  • L
    Ludovico

    werte Kommentatoren,

     

    "ganz deutsch?" Ihr habt wirklich eine seltsame Vorstellung von Integration. Es geht doch bei der Idee der doppelten (mehrfachen) Staatsbürgerschaft gerade darum, zwischen den unterschiedlichen Kulturen Brücken zu bauen - und nicht sich zu entscheiden auf welche Seite der Brücke man springen will bevor sie dann abgerissen wird. Ich würde zu meiner "ganz und gar deutschen" auch gern die Türkische, Italienische, griechische.. dazunehmen wenn ich dürfte - schon allein um bei den dortigen Wahlen meine Stimme gegen die teils undemokratischen und menschenrechtsverachtenden politischen Realitäten erheben zu können.

  • L
    Lasse

    Ihr habt schon gelesen, dass das angesprochene Mädchen seine türkische Staatsbürgerschaft durch juristische Hindernisse nicht abgeben KANN oder?

    Und was hat die Anzahl und Beschaffenheit der Pässe mit Integration zu tun?

    Integration bedeutet doch auch nur, dass dunkelhäute Menschen aus Sicht bierseeliger Stammtischbewohner Pommes Schranke statt Döner essen müssen...

  • Y
    Yardim

    Es ist richtig so und gerecht. Viele TürkInnen leben seit 1960 in Deutschland und haben immer noch kein Bleiberecht, sondern unsichere Aufenthaltsstatus. Sogar die Bürger der jungen EU-Staaten haben freie Personenverkehr, aber die in EU lebenden TürkInnen nicht.

    Wen hat es bisher gestört, wenn ein/e Amerikaner/in auch Deutsche/r war? Ich habe auch zwei Staatsangehörigkeiten. In Deutschland bin ich Deutscher

    und in der Türkei Türke. Oder sollte ich in dem Land, wo ich geboren und bis 18war, gelebt habe, sollte ich sagen "Ich bin ein Deutscher." Es wäre bischen merkwürdig klingen, wenn ich meiner Mutter sagen würde, "Mutti ich bin Deutscher!" oder?

    Die Menschen sollten dort leben können, wo sie wollen.

  • H
    HamburgerX

    Unverständliches Urteil. Es kann doch nicht sein, dass deutsches Recht verbogen wird, weil das Recht außerhalb Deutschlands von unserem abweicht. Einbürgern kann man sich übrigens auch mit 18, vorher sind viele Bürgerrechte (Wahlen usw.) eh nicht wahrnehmbar. Und wenn die Eltern unbedingt vorher ihr Kind einbürgern lassen möchten, so müssen sie eben im Falle der Türkei den Schritt gehen, selbst Integrationsarbeit zu leisten.

     

    Ich verstehe sowieso nicht, wie man sich in einem Land viele Jahre aufhalten kann und dann nichts unternimmt, dort auch Staatsbürger zu werden.

  • K
    kati

    Unglaublich.Welch Farce.

  • M
    Majo

    Da labern alle von Integration, aber weder die junge Türkin, noch deren Eltern oder das deutsche Gericht möchten, dass sie ganz deutsche Staatsbürgerin wird. Was soll man dazu noch sagen ? So wird das nichts mit dem verwurzeln...

  • NE
    Nebahat Ercan

    Deutsche sein und Türkin bleiben?

     

    Hallo? Wie lächerlich ist das denn? Wenn das Mädchen eine Deutsche sein will, das soll sie sich entscheiden, ich habe auch auf meine türkische Staatsbürgerschaft verzichtet.

  • M
    Marvi

    ...noch ein Urteil gegen Integration und besseres Zusammenleben,...wunderbar!