Wegsperren oder resozialisieren?: St. Florian in Moorburg
Eine demokratische Gesellschaft muss es aushalten, wenn ehemalige Straftäter in ihr leben
Dass drei ehemalige Sicherungsverwahrte, zwei davon Sexualstraftäter, nun in Hamburg-Moorburg untergebracht werden sollen, löst in dem 800-Seelen-Nest Befürchtungen aus. Das ist keine Überraschung, und die Ängste sind nachvollziehbar – wobei Angst eben immer auch einen nicht rationalen Kern hat.
Wenn die von Hafenerweiterung und Kraftwerksbau gebeutelten Moorburger nun aber sagen, sie hätten genug ertragen, gerät die Argumentation in eine Schieflage: Landfraß und Lärm sind nicht vergleichbar mit der bewachten Unterbringung dreier Menschen, die Verbrechen begangen und ihre Strafe verbüßt haben.
Tausche ein Kohlekraftwerk gegen zwei frühere Sicherungsverwahrte – wer solche Rechnungen aufmacht, behauptet, die Moorburger hätten bessere Gründe, die Unterbringung abzulehnen, als zuvor die in Jenfeld. Ein Wettlauf der Verweigerung, der doch nichts anderes ist als ein kaschiertes St. Floriansprinzip.
Die drei früheren Häftlinge sind nach ihrer Entlassung freie Menschen mit dem Recht auf freie Wohnortwahl und dem Anspruch auf Resozialisierung – inmitten der Gesellschaft. Und wo die Mitte der Gesellschaft ist, sind auch immer Kinder, die eines besonderen Schutzes bedürfen. Dass sie unter Umständen neben einst straffällig Gewordenen aufwachsen, muss eine Gesellschaft aushalten können, wenn sie nicht jeden Täter für immer wegsperren will.
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