Weg von der Nabelschau

Aedes ist die Adresse für Architektur in Berlin. Jetzt entstand Aedes East Internationales Forum für Zeitgenössische Architektur e. V. Mit Marcus Bull und Hans-Jürgen Commerell über Aedes-East

Interview BETTINA MÜLLER

taz: Im vergangenen Jahr kursierte in Berlin das Gerücht, die Architektur-Galerie Aedes East stehe vor dem Aus. Jetzt wurde der Verein Aedes East Internationales Forum für Zeitgenössische Architektur e. V. gegründet. Warum wurde diese neue Organisation notwendig?

Marcus Bull: Das Projekt Galerie Aedes ist in den zwanzig Jahren gewachsen, der Anspruch der Ausstellungen gestiegen und damit der Aufwand an Personal und Finanzzuwendungen. Bis jetzt werden beide Galerien am Savignyplatz und in den Hackeschen Höfen aus privaten Mitteln finanziert, aus den Erträgen der Cafés und aus Sponsoring-Mitteln. Hinzu kommt, dass seit der Berufung von Aedes-Leiterin Kristin Feireiss vor fünf Jahren nach Rotterdam an das Niederländische Architektur Institut (NAI) die Ausstellungen von Hans-Jürgen Commerell und Ulla Gießler erarbeitet werden mussten. Zu zweit ist das auf Dauer nicht mehr zu bewältigen. Um das auf eine breitere Basis zu stellen, haben wir den Verein gegründet.

Hans-Jürgen Commerell: Wir sind an unsere Grenzen gestoßen. Es gab immer öfter die Situation, auf ein Projekt experimenteller Architektur verzichten zu müssen, weil es nicht finanzierbar war. Aber wenn wir das Neue und Unkoordinierte nicht mehr neben den großen Namen präsentieren können, ist unsere eigentliche Intention überholt. Zugleich ist der Standort Hackesche Höfe zwar sehr erfolgreich, aber extrem teuer. Da haben wir gedacht, so kriegen wir es nicht mehr zusammen.

Wie will Aedes East seine Projekte finanzieren?

Bull: Neben den Beiträgen der Mitglieder ist die Komponente der Fördergelder neu. Die wurden auch in der Vergangenheit schon angeboten, aber weil Aedes keine gemeinnützige Struktur hatte, konnte man die Mittel nicht annehmen. Bisher haben die Galerien hauptsächlich monografische Ausstellungen gezeigt. Jetzt planen wir thematische Projekte mit umfangreicher Vorbereitung, für die wir Gelder bei der Lottostiftung, möglicherweise auch beim Bund, beim Land oder bei der EU beantragen. Weiter läuft die Arbeit mit Sponsoren.

Wie wollen Sie mit dem Wunsch nach Selbstdarstellung der Unternehmen umgehen, die den guten Ruf von Aedes nutzen wollen?

Bull: Wir denken an das amerikanische Modell des Sponsoring. Da gibt es Kategorien, beispielsweise: Bis 5.000 Dollar wird man einmal im Jahr zu einem Empfang eingeladen, bis 20.000 Dollar kann man an Führungen durch die Büros namhafter Architekten teilnehmen, und bis 50.000 Dollar kann man dann die Räume für einen Firmenempfang nutzen.

Im Kuratorium des Vereins sitzen neben dem Architekten Daniel Libeskind auch die Pariser Kuratorin und Ex-documenta-Leiterin Catherine David und Rainer Schaper, Geschäftsführer aus Babelsberg. Sollen Film und Kunst eine größere Rolle spielen?

Commerell: Wir wollen durch die interdiziplinären Zusammenhänge das Bewusstsein für Architektur stärken. Architektur soll als Lebensraum wahrgenommen werden, der uns täglich auf verschiedenste Weise beeinflusst und trägt.

Sie wollen ein Modellprojekt für Architektur an allgemein bildenden Schulen initiieren. Gibt es da Vorbilder?

Commerell: In Norwegen, den Niederlanden, England, Frankreich gibt es Projekte, die wir einladen wollen, um von ihren Erfahrungen zu hören. Parallel dazu suchen wir hier nach Partnern für einen Modellversuch. Im NAI in Rotterdam hat Feireiss ein Schulatelier installiert, an das täglich Lehrer mit Schülern kommen.

Aedes East in den Hackeschen Höfen liegt im Herzen der neuen Mitte, die jetzt zu einem Zentrum umgemodelt wird, wie es Berlin bisher nicht hatte. Feiert man diese Zentralisierung hier automatisch?

Commerell: Der Standort ist für unsere Arbeit mit experimenteller Architektur sehr wichtig. Jeder halbwegs Architekturinteressierte kommt über den Savignyplatz und die Hackeschen Höfe. Außerdem stolpern viele herein, die noch gar nichts mit Architektur zu tun haben. Das ist ein Reichtum, den wir nutzen wollen. Man muss das Thema zu den Leuten bringen, in Prenzlauer Berg würde das nicht funktionieren.

Über Berlin wurde in all den Jahren viel diskutiert. Jetzt finde ich es spannender, Beispiele von anderswo heranzuholen. Ein Schwerpunkt wird junge, experimentelle Architektur aus England sein. Dann wollen wir uns Themen vornehmen, die hier nur schwach rezipiert werden: Was passiert in Lateinamerika, in Chile, in Argentienien, wie ist der Stand in Indien, in Nordafrika, im Maghreb?

Jungen Architekten fehlt es oft nicht nur an Aufträgen, sondern auch an Möglichkeiten, sich vorzustellen. Aedes East will auswärtige Präsentationen von jungen Architekten fördern. Wie kann man das?

Bull: Das ist ein finanzielles Problem. Für die Ausstellung eines namhaften Büros bekommt man viel einfacher die Unterstützung von Firmen. Bei jungen und visionären Architekten ist das schwieriger. Das ist genau die Lücke, wo wir jetzt mit Projektanträgen mehr zu erreichen hoffen. Das muss auch im Interesse der öffentlichen Hand liegen, weil mit dem Export von Architektur der Export von Ingenieurwissen und Materialkenntnis einhergeht. Das ist ein Wirtschaftsfaktor.

In Berliner Galerien sieht man, dass immer mehr Künstler die Stadt lesen: der Umbau der Stadt, wie wird mit Geschichte umgegangen, was gibt die Stadtplanung an sozialen Regelungen vor. Es scheint aber, als bliebe die Architekturkritik der Künstler ein Diskurs, der Architekten nicht berührt. Wollen Sie da vermitteln?

Bull: Es bleibt sehr schwierig, zwischen Architektur und Kunst eine Verbindung herzustellen. Das geht weniger über Appelle als vielmehr über Angebote und die Idee, diese Verbindung über Workshops, Vorträge und Diskussionen zu erreichen.