Weg mit den Klimakillern: Kneipengäste müssen fürs Klima kuscheln
Pankow ist Vorreiter: Heizpilze vor Kneipen sind dort aus Umweltgründen seit Jahresbeginn verboten. Manche Wirte setzen auf Decken, andere stellen Elektrostrahler auf. Einige Kneipiers wollen von einem Verbot nichts gehört haben.
Im Prenzlauer Szene-Café "Entweder oder" in der Kollwitzstraße haben die Heizpilze ausgedient. "Der Umwelt zuliebe", räumte Besitzer Peter Gutmann die Heizstrahler von der Straße. Gegenüber, vorm Café "Anna Blume" wurden die wärmenden Edelstahlpilze durch Elektrostrahler ersetzt. Diese emittieren CO2 zwar nicht direkt vor Ort, der Strom für ihren Betrieb muss aber trotzdem in einem Kraftwerk produziert werden.
Das Ende der Heizpilzära ist angebrochen. Im Februar ergänzte das Ordnungsamt Pankow die Papiere, die jeder Gastronom unterschreiben muss, will er Gäste auch auf dem Gehsteig bewirten. Darin steht jetzt: Heizstrahler sind wegen unzumutbarer Emissionen untersagt. Wer noch eine Erlaubnis aus dem letzten Jahr besitzt, wurde nach Angaben des Ordnungsamts von der Änderung informiert.
Gutmann setzt deshalb auf Decken. Aus der Zeitung hatte der Wirt erfahren, dass die mit Propangas betriebenen Maschinen im Bezirk Pankow seit Januar verboten sind. Das Amt habe ihn darüber nicht informiert.
Der Helmholtzplatz an einem sonnigen Herbsttag: Elf Wärmestrahler aus glänzendem Edelstahl trotzen dem Pankower Verbot. "Mir ist nicht bekannt, dass Heizpilze untersagt sind", gibt sich Johannes Noltus, Restaurantleiter des "Frida Kahlo", unwissend. Tatsächlich ist nach taz-Informationen ein Bußgeldverfahren gegen das Restaurant wegen seiner Heizpilze anhängig.
"Auch in der Gastronomie gibt es Menschen, die Gesetze eigenwillig auslegen", sagt Ordnungsamtsleiter Jens-Holger Kirchner. Das Amt kennt durchaus Mittel und Wege, widerspenstige Wirte zu zähmen. Kirchner erwägt sogar den Entzug der Gewerbeerlaubnis, sollten Heizstrahler vor Kneipen weiterbollern. Das Bezirksamt Pankow ist auf seine Vorreiterrolle stolz.
Doch gerade das mustergültige Verhalten des Bezirks stößt dem Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) sauer auf. "Entweder alle oder niemand", schimpft Vizepräsident Klaus-Dieter Richter. Der Verein will juristisch prüfen lassen, wie rechtskräftig der Alleingang in Pankow ist. Der Vizepräsident wünscht sich eine berlinweite Regelung. Mit oder ohne Heizpilze.
Im August erklärten auch die Bezirke Mitte, Charlottenburg-Wilmersdorf, Friedrichshain-Kreuzberg und Tempelhof-Schöneberg, dass sie den Betrieb von Heizstrahlern auf öffentlichem Straßenland verbieten wollen. Wie in Pankow will man die Heizpilze über die Lizenzen für die Außengastronomie verbieten. Einen Beschluss wollen die Stadträte der Ordnungsämter Ende Oktober fassen.
Auch der Senat will nun tätig werden. Vor ein paar Monaten hatte es geheißen, für das Heizpilzproblem wären die Bezirke zuständig. Jetzt sieht man wohl doch Möglichkeiten für ein landesweites Verbot über das Energiespargesetz. "Senatorin Lompscher hat uns Anzeichen gemacht, das Beheizen von Freiflächen generell zu verbieten", sagt die umweltpolitische Sprecherin der Grünen, Felicitas Kubala.
Dann müsste das "Anna Blume" auch seine neuen Elektrostrahler wieder abbauen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!