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Webportal hochschulstart.de"Die Reißleine ziehen"

Die Software für das neue Online-Verfahren zur Vergabe von Studienplätzen ist fehlerhaft. Der Start zum Wintersemester 2011/12 steht auf der Kippe.

Wann die Software auf hochschulstart.de funktioniert, ist noch offen. Bild: screenshot hochschulstart.de

Studienplatzbewerbern droht zum Wintersemester ein erneutes Zulassungsgerangel. Der Start der neuen Software auf dem Online-Portal hochschulstart.de wird zunächst um sechs Wochen auf den 15. Mai verschoben, wie die Stiftung für Hochschulzulassung am Dienstagabend bekanntgab. Das Vergabekonzept lässt sich auf der Webseite schon betrachten.

Am Mittwochvormittag eröffnete der Informatikprofessor Stefan Jähnichen vom Fraunhofer Institut, das die Technik entwickelt, dann den Mitgliedern des Bildungsausschusses im Bundestag: "Es ist noch nicht sicher, ob wir zum Wintersemester an den Start gehen können." In der Erprobungsphase der von T-Systems gelieferten Software hätten sich mehr Fehler gezeigt als erwartet.

Bund, Länder und die Informatiker stehen unter Druck: im Oktober werden nicht nur doppelte Jahrgänge von Abiturienten aus Bayern und Niedersachsen an den Unis erwartet, sondern auch noch bis zu 59.000 junge Männer, die keine Wehrpflicht mehr abzuleisten haben. In den vergangen Jahren hatten sich viele Abiturienten an mehreren Hochschulen gleichzeitig beworben und zum Teil Wunschstudiengänge doppelt und dreifach gebucht.

Die Hochschulen erfuhren erst, dass Kandidaten sich doch anders entschieden hatten, wenn diese nicht erschienen und das Semester bereits begonnen hatte. In Folge blieben etwa zum Wintersemester 2009/10 rund 18.000 Studienplätze unbesetzt; trotz langer und bürokratischer Nachrückverfahren.

Um das Verfahren transparenter zu machen und insbesondere Mehrfachbelegungen auszuschließen, ließen Hochschulen und Länder eine zentrale Bewerberdatenbank entwickeln. Der Bundestag steuerte 15 Millionen Euro zur Entwicklung der Software bei, den Zuschlag erhielt im Februar des vergangenen Jahres die Firma T-Systems, die auch für das Mautsystem Toll-Collect verantwortlich war.

"Die Einführung zum kommenden Wintersemester war von Anfang an ein extrem ehrgeiziges Vorhaben", betonte Josef Lange vom niedersächsischen Kultusministerium im Namen der Kultusministerkonferenz (KMK) vor dem Bildungsausschuss.

Wobei die Hektik auch hausgemacht ist. Fast 40 Jahre lang hatte die zentrale Vergabestelle von Studienplätzen ZVS zulassungsbeschränkte Studiengänge zentral vergeben. Im Jahr 2002 fassten die Länder in der Kultusministerkonferenz den Beschluss, die ZVS zu entmachten, im Jahre 2008 mutierte die alte ZVS endgültig zur "Stiftung für Hochschulzulassung" mit neuer Aufgabe: sie sollte das geplante Serviceverfahren etablieren, dass die Wünsche der Abiturienten und die Plätze und Auswahlkriterien der Hochschulen zusammenbringt.

"Wenn man ein funktionierendes, wenn auch nicht vollkommenes System zerschlägt, sollte man ein funktionierendes System parat haben", kritisierte denn auch Grünen-Hochschulexperte Kai Gehring. Das Fraunhofer-Institut wird im April zwei weitere Testläufe starten. Dann wird sich entscheiden, ob das Portal hochschulstart.de tatsächlich startet.

"Wenn bestimmte Funktionalitäten nicht da sind, werde ich dem Stiftungsrat empfehlen, die Reißleine zu ziehen", sagte Jähnichen. Dann gehe das dialogorientierte Serviceverfahren, wie es offiziell heißt, eben ein halbes Jahr später an den Start. So oder so wird die Startversion noch nicht alle Wünsche befriedigen.

Lehramtsstudienanwärter und Mediziner können sich zunächst nicht über hochschulstart.de bewerben, auch beteiligen sich nicht alle Hochschulen. Aus Brandenburg etwa ist keine einzige Hochschule registriert, wer an der TU München studieren will, muss sich weiterhin vor Ort vorstellen und prüfen lassen. Jähnichen warnte zudem: Da es keine lange Erprobungsphase gebe, werden sicherlich auch noch Fehler enthalten sein.

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5 Kommentare

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  • PE
    Prof.Wolfgang Eßbach

    Die Hochschulen sind bekanntlich notorisch unterfinanziert, und die Kapazizätsberechnungen haben nicht verhindert, daß in vielen Seminaren Teilnehmerzahlen erreicht werden, die es rechtfertigen, von Lehrbetrug zu sprechen. Da haben die nicht besetzten Studienplätze der vergangenen Jahre für die Studierenden eine Entlastung gebracht, die wegfallen würde, wenn alle Plätze bis zur Erschöpfung genutzt würden.

  • M
    mediziner

    Mediziner werden sich definitiv bei hochschulstart.de bewerben können ja sogar müssen (wie bisher auch), halt nur nicht im Serviceverfahren ;)

  • SS
    Susi Sorglos

    Na, da hat man mit Feingefühl gearbeitet und mal wieder die Telekomiker beauftragt. Die haben doch schon die Maut und Hartz IV kunstvoll an die Gummiwand gefahren. Also Studienplatzvergabe erst wieder nach 2014 und hunderten Millionen Entwicklungsgeldern.

  • B
    Bewerber

    Nicht das die Einführungsveranstaltungen welche am Anfang dieses Jahres stattgefunden haben schon undurchsichtig genug waren, nein jetzt kommt es vielleicht noch so das alle Bewerber sich doch NOCHEINMAL auf ein anderes Bewerbungsverfahren einstellen müssen. Die Konzeptlosigkeit ist ja mal wieder wunderbar!

  • M
    mjruh

    Da kann man nur sagen: Wenn ein Blinder (T-Systems)einen Lahmen (Kultusminsterkonferenz) führt....