Weblog-Wettbewerb: Die Revolution herbeibloggen

Besonders in autoritären Regimes wird das Blog als Medium immer wichtiger. Der Auslandsrundfunk "Deutsche Welle" zeichnete jetzt die besten Blogs in 15 Kategorien aus.

Das Leben im Krieg aus irakischer Sicht: Bestes Videoblog wurde "Alive in Baghdad". Bild: screenshot aliveinbaghdad.org

Den ganz normalen Alltag im zensierten Weißrussland schildert 23-jährige Journalistin Xenia Awimowva unter dem Pseudonym Ak-Bara in ihrem Foto-Weblog Fotografomanstva (Foto-Mania). Dafür bekam sie die jetzt beim Best-of-Blogs-Wettbewerb der Deutschen Welle die Auszeichnung "Best Weblog 2007". Der DW-Programmdirektor Christian Gramsch lobte die Autorin dafür, dass sie "Informationen aus einem Land liefert, das sich weitgehend vor Blicken von außen abschottet".

Im alten Berliner Postmuseum, dem heutigen Museum für Kommunikation, gleich neben der Blauen Mauritius und einer gelben Postkutsche, verkündete die Jury des Blog-Wettbewerbs, den der deutsche Auslandsrundfunk seit vier Jahren durchführt, ihre Favoriten in insgesamt 15 Kategorien. Neben den Preisen für das beste Weblog, den besten Podcast, das beste Videoblog und einen humorvollen Blogwurst-Award verlieh sie zehn Auszeichnungen in den Wettbewerbssprachen Arabisch, Chinesisch, Deutsch, Englisch, Französisch, Niederländisch, Persisch, Portugiesisch, Russisch und Spanisch. In Zusammenarbeit mit Reporter ohne Grenzen zeichnet die Deutsche Welle jährlich ein Blog aus, das sich besonders für die freie Meinungsäußerung einsetzt.

Zum besten Videoblog gekürt wurde "Alive in Baghdad" (aliveinbaghdad.org). Für dieses Blog produzieren Iraker einen wöchentlichen Videobericht über das Leben im Krieg aus irakischer Sicht. Ein US-Team veröffentlicht die Beiträge. Die Macher hoffen damit, "einen Gegenpol zu den kurzen 'Live aus...' Nachrichten" der Durchschnittsberichterstattung über den Krieg zu schaffen.

Weblogs sind gerade in Ländern, deren Medien unter Zensur stehen, zum populären Ausdrucksmittel geworden. So betonte die iranische Journalistin Farnaz Seifi (www.farnaaz.info) in ihrer Eröffnungsansprache, der Iran erlebe bei der Nutzung des Internets mit 15 Millionen Menschen 2006 ein enormes Wachstum. Die Regierung habe die Internetnutzung vor allem zu wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Zwecken lange begrüßt und war eher nachlässig bei der Zensur. Seit 2001 die ersten iranischen Blogs auftauchten, spiele das Netz eine große Rolle für die Demokratiebewegung, Journalisten veröffentlichten Artikel, die der Zensur der Printmedien zum Opfer fallen, in ihren Blogs. Gerade auch Frauen hätten im Iran die Chance, über Blogs ihre Stimme zu erheben und für die Rechte der Frauen einzutreten.

"Über 6000 Menschen nahmen an einer Demonstration teil, alle waren informiert über Blogs und Email", so Seifi. Inzwischen überwache der Staat das Internet aber immer mehr, von der zwangweisen Einrichtung von Filter-Software bei Internetanbietern, über die Registrierung der Nutzerdaten bis zur Abschaltung ganzer Websites reiche der "Kampf gegen das Internet". Inzwischen sei der Iran einer der Pioniere in Sachen Netzzensur weltweit, Onlinemedien würden aber dennoch immer wichtiger dabei, autoritäre Regime zu destabilisieren.

Ähnliches berichtete der chinesische Juror und Journalist Zhao Jing, der selbst auch bloggt (fawjournal.com). Er sagte, Blogs seien in China zwar sehr gebräuchlich, aber keineswegs revolutionär. "Jeder Pofessor versucht ein Blog zu schreiben," so Zhao. Man könne in China damit sogar eine gewisse Bekanntheit erlangen, müsse aber politische Themen meiden, um nicht Opfer der Zensur zu werden.

Der "Reporter ohne Grenzen Award" ging an den Blogger "Jotman". Dieser habe sich einen Namen mit seiner Berichterstattung über den Putsch in Thailand 2006 gemacht und habe aktuell über die Proteste gegen die Militärjunta in Myanmar (Burma) berichtet. Dabei habe er hintergründiger als viele klassische Medien berichtet, etwa mit einem Interview mit einem burmesischen Mönch.

Der Moderator der Preisverleihung, Johnny Häusler vom Berliner Blog Spreeblick, wies darauf hin, dass es Bloggern in Deutschland im Vergleich zu Iran und China natürlich ungleich besser gehe. Sie träfen höchstens Abmahnungen von Unternehmen, etwa wegen Verletzungen von Urheberrechten oder umstrittenen Behauptungen. Im internationalen Vergleich scheint die deutsche so genannte Blogosphäre auch noch etwas unterentwickelt. Ein Preis ging trotzdem nach Deutschland, an das Blog "Behindertenparkplatz". Darin schreibt eine im Rollstuhl sitzende Journalistin über die Schwierigkeiten in ihrem Alltag und stellt damit Stereotypen und Behindertenfeindlichkeit bloß.

Leider schien die Veranstaltung vor allem Fachpublikum und Blogger angezogen zu haben, "trotz Freibiers und freien Eintritts", wie ein Blogger bedauerte. Dabei ging es weniger um das Internet und seine Technik, sondern die Themen, über die sich Millionen Menschen in aller Welt mittels des einfach zu bedienenden Mediums Weblog austauschen. Die Juryteilnehmer und Gäste waren sich offensichtlich einig darin, dass Blogs eine große Chance für den Demokratisierungsprozess in autoritären Staaten seien. Die Iranerin Seifi zitierte dazu einen iranischen Intellektuellen: "Jedes Licht, das nachts in Teheran brennt, zeigt, dass jemand am Computer sitzt, auf der Suche nach Informationen; das ist ein Pulverfass, aus dem in der Hauptstadt des revolutionären Islams ein großes Feuerwerk entstehen kann."

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