: „We kehr for you“
betr.: „Alte Sprüche in der neuen Mitte“, taz vom 25. 11. 99
Mehmet Daimagüler ist mir über die Parteigrenzen hinweg ein Freund, den ich persönlich schätze und dessen Meinung ich respektiere. Seinen Beitrag kann ich jedoch nicht unwidersprochen lassen.
1. Marieluise Beck ist eine sehr gute Ausländerbeauftragte, die in der Asyl-, Migrations- und Integrationspolitik hervorragende Arbeit leistet. In Zusammenarbeit mit unserer Fraktion entwickelt sie eine Ausländerpolitik, die in den letzten zwölf Monaten bereits um große Schritte vorangekommen ist. Es gibt keinen Grund, eine/n neuen Ausländerbeauftragte/n einzusetzen.
2. Ich selbst bin inzwischen innenpolitischer Sprecher meiner Fraktion, und ich bin es gerne.
3. Mein Platz ist bei Bündnis 90/Die Grünen. Ich sehe mich nicht als letzten Mohikaner und hege keinerlei Absichten, meiner Partei den Rücken zu kehren. Cem Özdemir, MdB, Berlin
Mehmet Daimagüler, Mitglied im Bundesvorstand der FDP, kritisiert die rot-grüne Migrantenpolitik. Das ist sein gutes Recht. Da er jedoch selbst in der FDP politische Verantwortung trägt und getragen hat, hätte er auch genügend Gründe, sich an den Werbespruch eines Entsorgungsunternehmens der Bundeshauptstadt zu erinnern, „We kehr for you“, und zunächst einmal vor der eigenen Haustüre zu kehren.
Wir erinnern uns noch, dass die FDP jahrelang für eine erleichterte Einbürgerung unter Hinnahme der doppelten Staatsbürgerschaft eingetreten war, ohne dass sie dieses Ziel mit der CDU/CSU durchsetzen konnte. Anfang 1999 hatte sie dann die einmalige Chance, dieses von ihr seit Jahren angestrebte Ziel gemeinsam mit der rot-grünen Koalition umzusetzen. Doch flugs änderte sie ihre Programmatik und erzwang eine wesentliche Verschlechterung des ursprünglichen Gesetzesentwurfs. Wir hätten ein besseres Gesetz erhalten, wenn die FDP zu ihren früheren politischen Zielen gestanden hätte.
Mehmet Daimagülers Ausführungen zur Bundesbeauftragten für die Belange der Ausländer, Marieluise Beck, erwecken den Eindruck eines ungeschickten Versuchs, einen Schlag unter die Gürtellinie zu landen. Der stellvertretende FDP-Parteivorsitzende Döring hatte, kaum dass Minister Schily mit seiner falschen Asylstatistik und seinem Stammtischgerede von Wirtschaftsflüchtlingen die Abschaffung des Grundrechts auf Asyl gefordert hatte, dieser Forderung vollmundig zugestimmt. Einzig Frau Leutheusser-Schnarrenberger hatte gegengehalten. Das ist ehrenwert für sie, aber wenig für eine Partei, wenn man weiß, dass Frau Leutheusser-Schnarrenberger mit ihren Positionen in ihrer eigenen Partei gelegentlich allein steht. [...] Mehmet Daimagüler sitzt selbst im Glashaus, aus dem er jetzt mit Steinen wirft. [...] Hanns Thomä-Venske, Berlin
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