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Wattenmeer: Zähes Ringen um Naturschutz

■ UmweltministerInnen und Naturschützer in einem Boot: Bonn soll mehr für Nationalpark zahlen

Im Wattenmeer tummeln sich nicht nur Prilwürmer, Robben und Herzmuscheln, sondern auch Motorbootfahrer, Düsenjägerpiloten und Muschelfischer. Und das, obwohl das Wattenmeer seit Jahren als Nationalpark ausgewiesen ist, das höchste Schutzsiegel, das bundesdeutsche Behörden zu vergeben haben. Diese Situation gibt immer wieder Anlaß zur Kritik von Natuschutzverbänden. Die fanden sich gestern zum zehnten internationalen Wattenmeertag des World Wildlife Found (WWF) in Bremen zusammen. Dazu gesellten sich die UmweltministerInnen der norddeutschen Länder, die zwar ihrerseits die Kritik der Umweltverbände teilen, aber nur in Teilen Besserung geloben konnten.

Für Schleswig-Holsteins Umweltminister Bernd Heydemann steht die „ökologische Uhr des Wattenmeeres nicht mehr kurz vor, sondern bereits 10 nach 12“. Auch ohne katastrophale Auswirkungen von Unfällen sei das Wattenmeer-Ökosystem durch Schießübungen, Küstenschutzmaßnamen, Herzmuschelfischerei und intensives Befahren in einen Flickenteppich zerrissen. Problem der politisch Verantwortlichen: Trotz guter Naturschutzabsichten fehlt teilweise die rechtliche Möglichkeit, die Wattenmeerstörer aus dem Nationalpark zu vertreiben. Wie beispielsweise die Bundeswehr: Die ballert nach wie vor in der Melldorfer Bucht mit Übungsraketen durch die Gegend. Das Gebiet gehört dem Bund, mit dem Geld für den Landverkauf hat die frühere schleswig-holsteinische Landesregierung Eindeichungsmaßnahmen finanziert. Heydemann prüft nun rechtliche Möglichkeiten gegen das Übungsschießen, doch hat sich Verteidgungsminister Stoltenberg bereits ein Gutachten des Amtes für Wehrgeophysik besorgt, daß die Unbedenklichkeit der Übungen bescheinigt. Zwar meint Heydemann, daß dieses Gutachten nicht dem üblichen Standard entspricht, doch seinem schleswig-holsteinischen Landsmann Stoltenberg in Bonn konnte er dies bislang nicht direkt erläutern.

Und noch eine weitere Bundesbehörde blockiert: Das Bundesverkehrsministerium betrachtet sich nach wie vor als Lobby für die Sportschiffer, die, so ein Naturschützer, „bei Flut den Seehunden auf der Nase rumfahren“. Immer und immer wieder haben die Verbände gefordert, den Bootsverkehr zumindest in den schützenswertesten Gebieten zu verbieten. Vergebens.

Doch die Forderungen der Naturschützer gehen nicht nur gen Bonn. Bislang ist der Nationalpark in drei Zuständigkeitsbereiche zerstückelt. Je nach Gebiet ist Hamburg, Schleswig-Holstein oder Niedersachsen verantwortlich. In Niedsachsen ist seit zehn Tagen die neue Umweltministerin Monika Griefahn auch für den Naturschutz zuständig, Zu kurz, um die versammelten NaturschützerInnen mit konkreten Zusagen erfreuen zu können. Sie versprach eine Kampagne für den Naturschutz — „weil man das ohne die Betroffenen nicht hinkriegt“ — und eine bessere personelle Ausstattung für die Nationalparks, wenn die Niedersächsiche Landesregierung wie vereinbart 100 Stellen für den Naturschutz einrichtet.

Gemeinsames Interesse der norddeutschen Umweltminister ist es, einen Teil der Kompetenzen an Bonn abzugeben. Bislang ist der teurer werdende Naturschutz Sache der Bundesländer, und die fühlen sich finanziell überfordert. Bremens Umweltsenatorin Eva-Maria Lemke-Schulte zur bisherigen Praxis: „Die Kosten werden den Ländern überlassen, die Erfolge verkündet Bonn.“ Ihr Kollege Heydemann bezifferte die jährlichen Kosten für effizienten Naturschutz auf bis zu 1,5 Milliarden Mark. Doch für eine Mitverantwortung Bonns wäre eine Änderung des Grundgesetzes und damit eine zwei Drittel-Mehrheit erforderlich.

Naturschutz ist nicht nur eine Kostenfrage, sondern auch eine der gesellschaftlichen Einstellung, zumindest für Hans Biebelriether, den Generalsekretär der europäischen Nationalparks: „Das Naturerbe hat nicht den gleichen Stellenwert wie das kulturelle Erbe.“ Plakatives Ziel für den Nationalpark Bayrischer Wald: „Unser erstes Ziel ist, soviel Geld zu bekommen wie die Bayreuther Festspiele.“ hbk

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