: Wattebausch in der Silvesternacht
Während rund ums Rathaus weiter über Privatgeschichten getratscht wird, tut sich die SPD schwer, Profit aus der Senatskrise zu ziehen. Umfrage sieht Ex-Bürgermeister Henning Voscherau als klaren Kandidaten-Favorit
von PETER AHRENS
Als Olaf Scholz beim Sommerfest der SPD am Samstag ans Rednerpult geht und Neuwahlen fordern will, treten ein paar Autonome vor die Bühne und verweisen lautstark auf die Vorreiterrolle, die der damalige Innensenator Scholz bei der Einführung von Brechmitteln für Dealer hatte. Der SPD-Landesvorsitzende versucht, die Sprechchöre zwar zu ignorieren, er scheint jedoch dadurch so aus dem Konzept gebracht, dass seine Rede, die doch so kämpferisch klingen sollte, nur noch saft- und kraftlos daherkommt. Der Beifall ist dünn, die Situation symptomatisch. Während der CDU-Bürgermeister sich für seinen Aktionismus in Sachen Schill feiern lässt, bleibt der Opposition, die eigentlich groß auftrumpfen müsste, nur eine Nebenrolle in dem Spiel. In den Springer-Medien wird bereits die „Wattebäuschchen-SPD“ verspottet.
Dabei geben sich Scholz und Bundesverteidigungsminister Peter Struck als Redner am Samstag vor dem Altonaer Rathaus alle Mühe, die Verantwortung für das Desaster im Rathaus dem Bürgermeister zuzuweisen. „Schill hätte längst entlassen werden sollen“, konstatiert Scholz: „Es war falsch, diese Regierung überhaupt einzugehen.“ Mit den Schill-Leuten ohne ihren Parteigründer weiterzumachen, heiße, dass „das gleiche Gemurkse im Senat fortgesetzt wird“. Die Schill-Partei sei desselben Geistes wie ihr Vorsitzender: „Nichts wird besser, wenn die weitermachen.“ Ansonsten kokettiert Scholz mit der für die SPD günstigen Spiegel-Umfrage (siehe Text unten): „Wir fürchten uns nicht vor Wahlen.“
Zur Kandidatenfrage in der eigenen Partei sagt er nichts. Dabei hätten auch da die Demoskopen ihm auf die Sprünge helfen können. Laut Welt am Sonntag wollen 46 Prozent der HamburgerInnen tatsächlich den Ex Henning Voscherau haben, nur 20 Prozent wären für einen Bewerber Scholz, der frühere Wirtschaftssenator Thomas Mirow, der sich zurzeit nach Kräften bemüht, seinen Bekanntheitsgrad durch Interviews in Hamburger Medien zu steigern, landet abgeschlagen bei 15 Prozent.
Derweil geht das Spiel „das Politische ist privat“ munter weiter: Ole von Beust und Justizsenator Roger Kusch (CDU) haben erneut dementiert, eine Liebesbeziehung zu führen. Der Spiegel hat Zeugen aufgetan, die gesehen haben wollen, wie von Beust und Kusch die Silvesternacht 2001 „knutschend“ verbracht haben sollen. Von Beust bestreitet das. Zudem soll Schill nach der Version des Bürgermeisters in dem berühmten Vieraugen-Gespräch am vergangenen Dienstag damit gedroht haben, die Vorwürfe gegen von Beust medienwirksam in der Tagesschau „zur Prime Time“ zu veröffentlichen. Auch da grüßt das Vorbild Voscherau, der dereinst seinen Rücktritt dem Tagesschau-Publikum mitteilte.