: „Wattebäckchen“ von Polizei abgegriffen
■ Meistgesuchter Bankräuber Berlins gesteht insgesamt 13 Überfälle / Ex-Gastwirt führte unauffälliges Familienleben
West-Berlin. Der meistgesuchte Bankräuber Berlins sitzt hinter Gittern. Der 53 Jahre alte arbeitslose Gastwirt aus dem Bezirk Tempelhof mit dem Spitznamen „Wattebäckchen“ hatte die Polizei über Jahre gefoppt, indem er sich für die Videokameras in den Banken entstellte. Der Mann nahm vor Überfällen einfach sein Gebiß aus dem Mund und wurde so mit eingefallenen Wangen nahezu unkenntlich. So war er etwa nach einem Überfall Ende 1987 dem Kassierer eines ausgeraubten Geldinstituts gegenübergestellt worden. Dieser erkannte ihn nicht wieder - der Beschuldigte war entlastet. Nun gestand er der Polizei in Berlin 13 Überfälle mit einer Gesamtbeute von 200.000 DM.
Wie der Leiter der Raubinspektion, Detlef Büttner, gestern berichtete, wurde es dem Gastwirt zum Verhängnis, daß er nach seinem letzten Überfall am 12. April vor einer Filiale der Dresdner Bank im Bezirk Neukölln erstmals mit dem eigenen Auto geflüchtet war. Ein Angestellter habe sich das Kennzeichen gemerkt. Viereinhalb Stunden später sei er vor seiner Wohnlaube in Begleitung seiner Frau im Wagen festgenommen worden. Sonst sei der Mann immer mit der U-Bahn zu den Banküberfällen gefahren, einmal mit dem Fahrrad.
Die Serie der Überfälle von „Wattebäckchen“ begann 1987 bei einer Bank in der Karl-Marx-Straße, die er dann im November nochmals heimsuchte. Eine Bank am Mehringplatz überfiel er gar vier Mal. Auch die Deutsche-Bank-Filialen am Tempelhofer Damm und am Mariendorfer Damm wurde von dem Täter je zweimal beraubt.
Nach Büttners Worten bestritt der Gastwirt mit der Beute ein unauffälliges Familienleben mit Frau und zwei Söhnen in einer Laubenkolonie. Die Geldeinnahmen erklärte er der Hausfrau mit Gewinnen in der Berliner Spielbank, wovon sich sein älterer Sohn auch einmal bei einem gemeinsamen Spielbankbesuch überzeugen durfte. 1986 hatte der 53jährige sein unrentables Lokal verkauft. Den Unterhalt seiner Familie finanzierte er zunächst tatsächlich mit Glücksspiel. Als ihn Fortuna verließ, faßte er im Mai 1987 den Entschluß, Bargeld fortan durch Banküberfälle zu besorgen. Wie Büttner berichtete, kreuzte der Gastwirt immer dann in einer Bank auf, wenn die letzte Beute aufgezehrt war.
dpa
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