piwik no script img

WassersportViele Boote und ein Ball

Paddeln, foulen, Tore machen: Auf der Alster in Hamburg, in einer der Hochburgen der exotischen Sportart, hat das Tradition. Seit 1905 bereits trainieren dort die Kanupolo-Spieler des Alster-Canoe-Clubs.

Es ist allerhand erlaubt im Kanupolo. Bild: Ulrike Schmidt

"Das ist Foul", protestiert Timo. Aber Felix Wenzel, der Schiedsrichter, passt wieder mal nicht auf. Dann ist nur noch das gurgelnde Geräusch zu hören, das der menschliche Kopf unter Wasser macht, wenn aus dem Mund Luft entweicht. Thorne, der das feige Foul begangen hat, paddelt befriedigt von dannen und Timo taucht prustend wieder auf.

Ein friedlicher Abend auf der Alster vor der Ludolfstraße 15 in Hamburg-Eppendorf. Hier trainieren die Kanupolo-Spieler des Alster-Canoe-Clubs (ACC) von 1905. Auf die englische Schreibweise des Wortes "Kanu" wird Wert gelegt, denn gegründet wurde der Club von Hamburger Kaufleuten die, wie Wenzel sagt, "die englische Schreibweise cool und trendy" fanden. Aus England kam auch die Sportart Kanupolo herübergeschwappt. "Irgendwann", sagt Wenzel, "haben sich Kanufahrer gesagt: Warum nehmen wir nicht einen Ball mit?"

Felix Wenzel, 23, Speditionskaufmann in Ausbildung, hat im ACC die verantwortungsvolle Stelle des Polowarts inne. Häufig kommen die Nachwuchsspieler vom Hochschulsport. So auch Carl-Friedrich Hettig, genannt Freddy, 24, der Wirtschaftsingenieurwesen studiert. Freddy schwärmt: "Super Sport, vom Kanufahren die Technik, dazu ein Mannschaftssport und viel Spaß."

Es gibt etwa 85 bis 90 Kanupolospieler in Hamburg, einer der Hochburgen dieser Disziplin hierzulande. Die Regeln sind grob wie folgt: Fünf Spieler in Einerkajaks im Wasser, drei in der Wechselzone, es darf ständig gewechselt werden, wie im Eishockey. Der Torwart, der das zwei Meter über dem Wasser befindliche Tor von der Größe eines Basketballbretts hütet, kann auch ständig wechseln. Abwehrspieler greifen an, Stürmer verteidigen.

Das Hilfsmittel des Torwarts ist sein Paddel, das er mahnend in die Luft hält. Bei Torwürfen und Pässen nimmt der Spieler den Ball in die Hand. Die Fläche, auf der Kanupolo gespielt wird, ist 35 Meter lang und 25 Meter breit. Gespielt wird zweimal zehn Minuten, Pause dazwischen: drei Minuten.

Der "Schleusenwärter S. C." fährt vorbei, ein Ausflugsdampfer, und die Passagiere gucken neugierig herüber. Dann eine koreanische Familie im Tretboot - einer kurbelt, die anderen genießen es. Ein Holzachter wird von aristokratisch aussehenden Ruderern der Altersklasse Ü 80 über das Wasser bewegt, gleich darauf macht ein Drachenboot Wellen. Drüben, in Richtung Winterhude, liegen Menschen in der Sonne. Ab und zu zieht der Geruch von würzigem Grillfleisch vorbei.

"Foul, Foul", ruft Vivian, die gerade ein Paddel auf die Finger bekommen hat. Es ist allerhand erlaubt im Kanupolo: Den Gegner, aber nur wenn er den Ball hat, mit der flachen Hand unter Wasser schubsen beispielsweise. Ihn an der obligatorischen Schwimmweste unter Wasser ziehen, oder an der Maske des Helms, die jeder tragen muss, ist verboten. Man darf aber mit dem eigenen Boot über das des anderen hinwegfahren. "Allerdings ist es besser, man liegt mit seinem Kanu drunter", erklärt Wenzel. Der Ball, es ist einer, wie ihn auch die Wasserballer benutzen, darf nicht länger als fünf Sekunden in der Hand gehalten werden.

Die Frauen des ACC, dazu zählt auch Vivian, spielen in der Ersten Liga und trainieren bis zu fünf Mal pro Woche. Jennifer Niß, die hier spielt, nimmt demnächst in der Klasse U 21 an den Europameisterschaften teil: vom 18. bis 23. August in Essen. Die Männer, also Thorne und Felix, sind längst in die Dritte Liga abgetaucht.

"Wer kann rollen?", fragt der kräftige Thorne seine Gegenspieler. Alle schweigen: Wer jetzt "Ja" sagt, der beherrscht die Eskimorolle - und kann von Thorne unters Wasser gedrückt werden. Dessen Qualität, versichert Felix, "ist gut". Nur ein wenig schlammig vielleicht, worunter die Sicht leidet.

Das tut sie allmählich auch über Wasser: Die Kanupolospieler vom ACC sind müde. Vivian lässt ihr Kanu noch mal so richtig in das von Thorne krachen. Und dann ist es auch gut für diesmal.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!