Zu viel Wasser im Saatgut-Lager

SCHUTZ Im norwegischen Spitzbergen sollen wichtige Samen den Einflüssen von Mensch und Umwelt trotzen. Doch nun macht ausgerechnet der Klimawandel Probleme

Ganz tief dort drin lagert es, das Saatgut Foto: Heiko Junge/scanpix/ap

VON Reinhard Wolff

STOCKHOLM taz | Es tropft. Und hier sollte es absolut nicht tropfen, sagt Hege Njå Aschim, Kommunikationschef der norwegischen Staatsbaugesellschaft Statsbygg. Schon im Herbst waren große Mengen Wasser in den Eingangstunnel des Saatgutlagers eingedrungen. Das Lager selbst sei davon zwar nicht betroffen gewesen – aber Wasser habe natürlich in der ganzen Konstruktion nichts zu suchen.

Es geht um die globale Saatgutbank „Svalbard Global Seed Vault“, die 2008 auf der norwegischen Arktisinsel Spitzbergen eingeweiht wurde. Hier lagert Saatgut aller für die Landwirtschaft wichtigen irdischen Gewächse. Es soll die Grundlage für neue Zucht und neuen Anbau liefern, falls Samen durch Klimaveränderungen, Naturkatastrophen, Pflanzenkrankheiten oder genmodifiziertes Saatgut verändert werden oder ganz verschwinden sollten.

Die Schneeschmelze und starker Regen haben nun dazu geführt, dass Wasser in den Eingangbereich des Bauwerks eingedrungen ist. Auch wenn das Saatgut unversehrt ist – die Verantwortlichen sind alarmiert. „Dass wir schon zehn Jahre nach der Einweihung Probleme mit unstabil werdendem Permafrost haben könnten, hat damals niemand vorhergesehen“, sagt Aschim: „Wir bauten aufgrund von Vorhersagen, dass das hier ein wirklich solider Permafrostgrund ist.“

Im Herbst 2016 lagen die Temperaturen 7,4 Grad über dem langjährigen Durchschnitt, es regnete dreimal so viel wie gewöhnlich. „Die Frage ist nun: Passiert das nur einmal alle tausend Jahre oder müssen wir uns darauf vorbereiten, dass es der Normalzustand wird?“, fragt Aschim. Weil man Vorsicht walten lassen möchte, bereite man sich mit umfassenden Umbauarbeiten auf letzteres vor.

„Passiert das nur einmal alle tausend Jahre?“

Kommunikationschef Hege Njå Aschim

Dass die Temperatur im Permafrost auf Spitzbergen derzeit stetig ansteigt, bekräftigt auch der norwegische Geologieprofessor Ole Humlum: „Das variiert von Jahr zu Jahr, aber auf lange Sicht haben wir zweifellos einen ansteigenden Trend.“ Noch liegen die Jahresdurchschnittstemperaturen am Ort der Saatgutbank deutlich unter null Grad. Die hermetisch mit drucksicheren Türen verschlossenen und 150 m tief in den Berg hineingesprengten Lagertunnel werden mit Kühlanlagen auf eine Temperatur von gleichbleibend minus 18 Grad gekühlt – der die kalte Umgebung trägt auch dazu bei, dass sich die Kosten für die Kühlung in Grenzen halten. Doch dass das Samenlager, wie vor zehn Jahren geschätzt, in den kommenden 200 Jahren vollständig von Permaforst umgeben sein würde, damit, so Aschim solle man besser nicht mehr rechnen. „Wir müssen und werden Lösungen finden.“

Im übrigen nicht nur für das Lager. Abrupte Temperaturwechsel und große Schneemengen führten im Winter 2015/16 und im Februar diesen Jahres zu zahlreichen Lawinen bei Spitzbergens Hauptstadt Longyearbyen. Als sicher geltende Wohnhäuser wurden unbewohnbar oder mussten evakuiert werden. Für die wärmere Jahreszeit wird aufgrund des tauenden Permafrosts hier mit gestiegener Erdrutschgefahr gerechnet.