Wasserqualität: Weser muss sauberer werden
Etwa 100 Millionen Euro jährlich kostet es, den Stickstoffeintrag auf das von der EU vorgesehene Maß zu verringern, sagen Forscher. Andernfalls droht Menschen Krebsgefahr.
Die Weser und ihr Einzugsgebiet in einen guten ökologischen Zustand zu versetzen, würde 100 Millionen Euro im Jahr kosten, wie das Johann Heinrich von Thünen-Institut in Braunschweig errechnet hat. Mit dieser Summe ließen sich die Veränderungen in der Landwirtschaft finanzieren, die nötig wären, um den Stickstoffeintrag um 25.000 Tonnen zu verringern und der Wasserrahmenrichtlinie der EU Genüge zu tun. Die Zahlen sind das Ergebnis des Forschungsprojekts "Argum Weser". Dieses biete "erstmals einen übergreifenden Ansatz, um Wirkungen und Kosten von der Landwirtschaft bis hin zu Einträgen in die Gewässer zu quantifizieren", lobt das Bundeslandwirtschaftsministerium.
Werden Äcker überdüngt, schwemmt der Regen den Stickstoff in Form von Nitrat in die Flüsse und in das Meer. Der Dünger lässt die Algen in den Gewässern explosionsartig wachsen, was dazu führen kann, dass diese "umkippen": Abgestorbene Algen verrotten, wobei dem Wasser so viel Sauerstoff entzogen wird, dass die Fische ersticken.
Im Grundwasser sind größere Mengen Nitrat nach Auskunft des Umweltbundesamtes (UBA) problematisch, weil es die Fähigkeit von Säuglingen verringert, Sauerstoff aufzunehmen. Das Phänomen nennt sich "Blausucht" und kann bis zur Erstickung führen. Bei Erwachsenen kann sich das Nitrat mit Eiweißen zu Krebs erzeugenden Nitrosaminen verbinden. Der seit 1991 geltende europäische Grenzwert für Nitrat - 50 Milligramm pro Liter Wasser - orientiert sich an der Blausucht.
Die EU-Wasserrahmenrichtlinie zwingt alle Länder, Bewirtschaftungspläne für ihre Flüsse aufzustellen.
Frist: Eigentlich sollte das bis 2015 geschehen. Die Bundesländer an der Weser sind sich aber einig, eine Fristverlängerung bis 2027 in Anspruch zu nehmen.
Düngemittel: Den Nährstoffeintrag in den Fluss zu verringern, ist das vorrangige Ziel des Plans.
Salze: Ein Sonderproblem der Weser sind die Kaligruben in Hessen und Thüringen, die in großem Stil salzige Bergbau-Abwässer in den Strom leiten.
"Es gibt das politische Ziel, Grundwasser mit möglichst geringem Aufwand in Trinkwasser zu verwandeln", sagt Volker Mohaupt vom UBA. Weil sich aber Nitrat nur mit aufwändigen biologischen Verfahren aus dem Wasser entfernen lasse, mieden viele Wasserwerke das Grundwasser. Stattdessen bohren sie tiefe Brunnen.
"Maßnahmen in der Landwirtschaft sind die kosteneffektivsten, die wir haben, um die Nitratbelastung im Wasser zu verringern", sagt Mohaupt. Im wesentlichen genüge es, dass die Bauern ihr Verhalten änderten. Die damit verbundenen Ertragseinbußen seien "relativ gering".
Die Wissenschaftler des Thünen-Instituts machen in ihrer Untersuchung für die Weser und deren Einzugsgebiet konkrete Vorschläge. Auf 1,3 Millionen Hektar soll die Landwirtschaft umweltfreundlicher gestaltet werden. Dazu gehört der Anbau von Zwischenfrüchten, die Extensivierung von Flächen, das grundwasserschonende Ausbringen von Gülle und Mist sowie der reduzierte Einsatz von Mineraldünger - mitsamt der nötigen Beratung.
Auf sieben Prozent der Felder reiche das allerdings nicht aus, um die Ziele der Wasserrahmenrichtlinie zu erreichen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin