Washington: Bericht zur Lage der Nation: Bush stellt sich selbst ein gutes Zeugnis aus
■ Der Kampf am Golf lohne sich, und man sei auf dem richtigen Weg — so lautete am Dienstag abend die Botschaft des obersten Kriegsherrn der USA an das Volk. Für die neue Weltordnung dürften die USA als moralische Führungsinstanz kein Mittel scheuen — so Bush während seiner von anhaltendem Applaus begleiteten Rede zur Lage der Nation.
Einundfünfzigmal wurde George Bush von Beifall unterbrochen, doch der größte Applaus galt Abwesenden. „Niemand in Amerika ist der harten Arbeit für die Freiheit mehr verpflichtet als unsere Soldaten am Golf.“ Nach diesem Satz in der „State of the Union“-Rede ihres Präsidenten sprangen die Mitglieder des US-Kongresses auf. Zweieinhalb lange Minuten erfüllten lautstarkes Klatschen und „Bravo“-Rufe das Kapitol. Auch die fast vollständig anwesenden Mitglieder des diplomatischen Chorps — der einzige in Washington verbliebene Vertreter Iraks war nicht eingeladen — konnten sich dem nationalen Taumel nicht entziehen und klatschten heftig mit.
„Wir haben den Irak zehn Jahre lang unterstützt. Laßt uns das nicht vergessen.“ Der Hinweis in der Antwortrede des demokratischen Mehrheitsführers im Senat, Mitchell, auf die Mitverantwortung der USA für die Entstehung des „Bösen“ (Bush), darauf, daß der 2. August 1990 eben keine Stunde Null war — all das prallte an diesem Abend ab an der von Bush errichteten Gefühlswand aus moralischer Überlegenheit, nationaler Stärke und der Vorbestimmung, den „Kampf gegen das Böse“ zu führen und zu gewinnen. Ob Präsident Bush den Krieg gegen Saddam Hussein von Beginn des Golfkonflikts an gewollt und vorbereitet hat — wofür es zahlreiche stichhaltige Hinweise gibt —, ob der ganze Konflikt und die irakische Invasion in Kuwait sogar spätestens seit Dezember 1989 gezielt herbeigeführt wurden, was manche mit ebenfalls guten Argumenten behaupten — das alles wird eines Tages vielleicht beweiskräftig geklärt werden können. Sicher ist jedoch: Inzwischen hat Bush diesen Krieg zu seiner ganz persönlichen Sache gemacht und sein politiches Schicksal mit seinem weiteren Verlauf und Ausgang verknüpft. In den zwei Wochen seit Kriegsbeginn haben ihm liberale wie konservative Kommentatoren und Kolumnisten der großen Zeitungen bereits mehrfach „Kreuzzugmentalität“ und eine „gefährliche Fixierung auf Saddam Hussein als der Personalisierung des Bösen“ angekreidet. Mit seinen Redepassagen zum Golfkrieg, der dabei zutage gelegten Mimik und Emphase machte Bush am Dienstag abend deutlich, daß diese Kritik an ihm abgeprallt ist.
Seine Äußerungen zu anderen Themen, vor allem den sozial- und innenpolitischen Vorhaben seiner Regierung im Jahr 1991 handelte Bush nur hastig und stichwortartig ab, so als seien sie ihm eher lästig. Zusagen für konkrete, mit Haushaltszahlen versehene Programme für die Bekämpfung von Armut und Verelendung in den USA gab es keine. Die Drogen, denen er vor einem Jahr bei gleicher Gelegenheit noch ausführlich und feierlich den „Krieg“ erklärt hatte, kamen diesmal nur in einem flüchtigen Nebensatz vor. Vergessen auch seine Selbsttitulierung als „Erziehungspräsident“. Behauptungen, daß von seiner Regierung in die Wege geleitete Programme im Bereich der Bildung, der Gesundheitsversorgung oder der Förderprogramme für Kinder sozial Unterprivilegierter Erfolge aufwiesen, wurden noch am Dienstag von den Demokraten wie von unabhängigen Experten einhellig widersprochen.
Sehr konkret hingegen waren die Ausführungen des Präsidenten zum Rüstungsprogramm SDI. Unter Hinweis auf die „großartigen Erfolge“ der Patriot-Abwehrrakete in den ersten zwei Wochen des Golfkrieges kündigte Bush eine „Wiederbelebung“ der SDI-Forschungen und -Entwicklungen an. Ziel sei, „die USA und ihre Verbündeten“ künftig „gegen Raketen zu schützen, von woher sie auch immer drohen“. Fest hielt Bush auch an seiner Absicht, die Steuern für höhere Einkommen zu senken. Auf Kopfschütteln und Skepsis bei Wirtschaftsexperten stieß Bushs Darstellung, der „wirtschaftliche Aufschwung sei nur durch eine kurzzeitige Rezession“ unterbrochen worden; ebenso seine Ankündigung einer „baldigen Überwindung“ der Rezession .
Liberale Kommentatoren kritisierten, daß Bush sich nicht zur Möglichkeit eines langanhaltenden Krieges mit hohen US-amerikanischen Verlusten äußerte. Übereinstimmend mit konservativen Kollegen verglichen sie Bushs Rede und die historische Situation mit der Rede von Präsident Johnson im Januar 1966, anderthalb Jahre nach Beginn des Vietnamkrieges. Wie seinerzeit Johnson setze nun auch Bush alle Karten auf einen Erfolg — nicht als der für das Wohl aller AmerikanerInnen verantwortliche Präsident, sondern als Oberbefehlshaber der Streitkräfte. Der rechtskonservative Kolumnist Pat Buchanan, einer der Intelligentesten seiner Zunft: „Bush steht jetzt auf dem Höhepunkt seiner politischen Karriere. Er wird niemals einen höheren Punkt erreichen.“ Und vom höchsten Punkt geht es nur noch abwärts. Andreas Zumach, Washington
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