■ Was Sie über Werder wissen wollten: Waschen, siegen
Die „AG Werda Brem“, eine Gruppe von StudentInnen der Kulturwissenschaft der Bremer Uni, sah mal nach, was sich jenseits des Rummels auf dem Spielfeld eigentlich bei Werder so tut. Einige der Ergebnisse der Privatforschungen stellt die taz anläßlich des Saisonstarts in loser Folge vor.
In den Katakomben der Westkurve: Jede Menge Fußballutensilien wie Trikots, Bälle und Luftpumpen liegen herum. Ein Hauch Lederfett liegt in der Luft; im Hintergrund rattern zwei Waschmaschinen. Karl Dybeck sitzt auf seinem Stuhl, vor ihm ein Berg Fußballschuhe: „Es gibt Trainings- und Spielschuhe“ erklärt er dem interessierten Laien. Lederfett drauf, polieren und den Puma-Streifen weißen, so sieht sein Arbeitsalltag bei Werder aus.
Der 67jährige ist seit acht Jahren der ehrenamtliche Schuhwart der Weser-Kicker und kann sich auch gar nichts anderes vorstellen: „Ich geh' da voll und ganz drin auf“. Zu seinem ungewöhnlichem Hobby kam er durch seine Tochter, die auch bei Werder arbeitet. Als sein Vorgänger krank wurde, fragte sie ihn, ob er nicht mal aushelfen könne. Er konnte.
Gleich als er nach dem Krieg nach Bremen kam, war er zum glühenden Werder-Fan geworden. Schon zu unseligen 2. Bundesliga-Nord-Zeiten war er bei jedem Heimkick dabei. Als es ihm finanziell nicht so gut ging, ist er von Woltmershausen aus zum Stadion gelaufen. Und wenn die Familie am Samstagnachmittag der Campingplatz-Idylle frönte, war Papa zum Fußball unterwegs. In seiner Karriere sind schon so einige Schuhe durch seine Hände gegangen: Als Bertis Buben im Weserstadion spielten, hat er sich um deren Treter gekümmert und so ganz nebenbei noch auf die nicht ausgeräumte Werder-Kabine aufgepaßt. Nicht, daß es Matthäus und Co. nötig hätten, sich mit den vereinseigenen Luftpumpen vom Acker zu machen, aber: „Man weiß ja nie“.
Sein Job bringt es mit sich, daß ab und zu auch mal eine Dienstreise in die europäischen Fußballmetropolen auf dem Plan steht. Die Schönste war für ihn die Fahrt zum Europapokalendspiel 1992 nach Lissabon. Als der Sieg errungen war und der Champagner in Strömen floß, wurde eine „Schnapsidee“ geboren. Karl Dybeck wollte zur Feier des Tages Haare lassen. Aber nicht ohne vorher Rücksprache mit seiner Frau zu halten: „Wunder' dich nicht, wenn ich morgen mit Glatze nach Hause komme“, ließ er sie mitten in der Nacht telefonisch wissen. „Wag' Dich nicht“, lautete Frau Dybecks eindeutiges Statement. Also hat er es, um den Familienfrieden zu wahren, gelassen.
Fußball scheint für Karl Dybeck wirklich eine haarige Angelegenheit zu sein. Vor je- dem wichtigen Spiel läßt er sich aus Aberglaube die Haarpracht stutzen: „Die Friseurin fragt schon immer, wer der nächste Gegner ist“. Von diesem Ritual, das auch schon mal die Spieler finanzieren, profitiert nicht nur die Friseurin. Bisher hat Werder nach dem „Waschen und Legen“ fast immer gewonnen. Nur einmal, da griff der Gegner zu den gleichen Waffen: „Der Busfahrer vom HSV hat sich auch die Haare schneiden lassen und wir haben verloren“. Der hatte wohl den besseren Haarschnitt.
Michael Kies
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