Was wußte DDR-Führung von Stasi-Morden?

■ Fußballspieler, Geschäftsleute, prominente Republikflüchtige: Der Stasi soll im Westen gemordet haben / 'Spiegel‘: Stoph warnte gar in einem Fall vor „Killer-Kommando“ / Sind Deserteure der Grenztruppen in die DDR entführt worden?

Hamburg/Berlin (dpa/taz) - Hat das ehemalige DDR -Ministerim für Staatssicherheit in der BRD mehrere Personen ermorden lassen und hat die SED/CDU/LDPD-Staatsführung davon gewußt? Was derzeit aus westdeutschen Geheimdienstquellen sprudelt und in diversen Blättern erscheint, deutet darauf hin. Nach Springers 'Berliner Morgenpost‘ vom Wochenende soll die Stasi nicht nur Republikflüchtlinge und Regimegegner, sondern auch westdeutsche, im DDR-Handel tätige Manager umgebracht haben. Der 'Spiegel‘ berichtet, die frühere DDR-Staatsspitze sei in diese Mordpläne eingeweiht gewesen.

Die 'Berliner Morgenpost‘ nennt insgesamt fünf ungeklärte Todesfälle bundesdeutscher Manager, die im Handel zwischen den beiden deutschen Staaten tätig waren oder SED-Tarnfirmen führten. Das Blatt berief sich dabei auf Aussagen des früheren Ost-West-Handelsexperten Karlheinz Schlurmann, der jetzt im bayerischen Wald lebe. Erwähnt wird auch der dubiose Mord an dem ehemaligen Hamburger Geschäftsführer der Spedition Richard Ihle GmbH, der Tod des Exgeschäftsführers der Essener SED-Tarnfirma Intema GmbH, Karl-Heinz Nötzel, und dessen Nachfolgers J.F.Bruhns sowie der tödlich verunglückte frühere Ost-West-Handelsexperte Horst Busse.

Aktenkundig sei auch der Fall des DDR-Regimegegners Bernd Moldenhauer, der im Juni 1980 auf einem Autobahnparkplatz erdrosselt wurde. Als Täter ermittelte die Polizei einen Berliner Busfahrer, der zugegeben habe, seit Jahren für den Stasi als Spion gearbeitet zu haben. Zu den Stasi-Praktiken gegen prominente Republikflüchtlinge sollen auch Entführungsaktionen gehört haben. Aus einem internen Bericht des Bundesnachrichtendienstes gehe hervor, daß für die Rückführung von Flüchtlingen auch Kopfgeldprämien ausgesetzt worden seien. Eines dieser Opfer sei der von den DDR -Grenztruppen desertierte Oberstleutnant Dietmar Mann gewesen, der acht Monate nach seiner Flucht in die BRD im April 1987 von der Stasi gezwungen wurde, in die DDR zurückzukehren.

Nach Angaben des 'Spiegel‘ hat der damalige DDR -Ministerpräsident Willi Stoph versucht, ein geplantes Kapitalverbrechen des Stasi zu verhindern. Stoph ließ danach über einen Kurier das Bonner Ministerium für innerdeutsche Beziehungen warnen, der Stasi plane die Liquidierung des in die BRD geflohenen DDR-Soldaten Werner Weinhold. Dieser hatte 1975 bei seiner Flucht zwei Soldaten der Nationalen Volksarmee (NVA) erschossen. Stoph habe damals der Bundesregierung konkret mitgeteilt, Weinhold solle bei einem „inszenierten Unfall“ ums Leben kommen.

Dennoch bleiben bei allen Fällen erhebliche Zweifel. So fand sich im Blut des Bundesligaprofis Lutz Eigendorf (er war über den 1. FC Kaiserslautern vom ehemaligen Stasi-Club BFC Berlin zur Braunschweiger Eintracht gekommen), der mit dem Auto tödlich verunglückt war, immerhin 2,2 Promille Alkohol. Die jetzt verbreitete Variante, Eigendorf sei mit einem sogenannten Kontaktgift am Türgriff des Wagens vergiftet worden, geht allerdings selbst über James-Bond -Methoden hinaus. Der bloße Hautkontakt mit einem Gift bewirke, zumindest bei unversehrter Haut, nichts, meinen Experten. Zumindest sei ein solcher Fall in der an Kuriositäten reichen Geheimdienstgeschichte noch nicht vorgekommen. Eventuell wird Eigendorfs Leiche exhumiert doch mit einem Giftnachweis rechnet nach über sieben Jahren kaum noch jemand.