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Was tun?

■ Eine Köpenickiade aus der Frühzeit des Radios

Radikale linke Positionen haben es nicht leicht, in den Medien Gehör zu finden. Das war auch in den Kinderjahren des deutschen Rundfunks nicht anders. „Was tun?“, ganz im Sinne Lenins, haben sich vor 65 Jahren einige Aktivisten der KPD gefragt, als ein von ihnen initiiertes Volksbegehren gegen den Bau von Panzerschiffen anstand und sie wieder einmal im Rundfunk nicht zu Wort kamen. Was ihnen einfiel, um dieses Problem zu lösen, ging als Köpenickiade in die Rundfunkgeschichte ein.

Als sich am frühen Abend des 6. 10. 1928 Wolfgang Schwarz, Redakteur beim Vorwärts, auf den Weg zum Funkhaus machte, um einen Vortrag zum Thema „Ist der Friede überhaupt möglich?“ zu halten, wurde er von einigen freundlichen Herren in einem „Gästewagen“ der „Berliner Funkstunde“ abgeholt. Daß es sich um einen Wagen der KPD handelte und er stundenlang durch Berlin kutschiert werden würde, konnte Schwarz nicht ahnen. Genausowenig, daß statt seiner ein souverän auftretender Herr, es war ein Landtagsabgeordneter der KPD, der Schriftsteller Karl Schulz mit seinem Manuskript Einlaß in das Funkhaus fand und pünktlich um 19.30 Uhr ein flammendes Plädoyer für das Volksbegehren über den Äther ging. Der Coup war perfekt geplant. Es gab zwar einen Ansager, der auch für die Textkontrolle zuständig war, aber den lenkten die KPDler mit nicht aufhörenden Telefonanrufen ab.

Die bürgerliche Presse geißelte dieses medienanarchische Lehrstück als „Kommunistenattentat“, der Vorwärts sprach von einem „Banditenstreich“. So etwas durfte im streng zensierten und staatlich kontrollierten Rundfunk doch nicht passieren! Es sollte auch nicht wieder vorkommen; wenig später mußten die Sender jeweils eine Person anstellen, die ausschließlich für die inhaltliche Überwachung der Vorträge zuständig war.

Die engagierte Programmpresse der Weimarer Republik nahm diese Köpenickiade zum Anlaß, die Rundfunkpolitiker zu drängen, doch endlich die Zensur im Rundfunk liberaler zu handhaben. „Ein Mann vertritt eine Idee, warum kam niemand auf die Idee, ihm das Wort zu erteilen?“ fragte die Zeitschrift Der Deutsche Rundfunk und forderte „Freiheit der Meinungsäußerung vor dem Mikrophon!“ Vergeblich, wenn es auch etwa zwei Jahre etwas liberaler zuging und sogar der Anarchist Erich Mühsam „Über die Freiheit als gesellschaftliches Prinzip“ referieren durfte. Ab Juni 1931 kamen kommunistisch oder sozialistisch gesinnte Redner im Rundfunk wieder überhaupt nicht mehr zu Wort. Wenig später wurde bekanntlich das ganze Medium gekidnappt. Frank Biermann

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