Was tun in Hamburg?:
Di, 11. 10., 20 Uhr, Polittbüro
Recherchetheater I
Seit elf Jahren bringt Eva Schöck-Quinteros, mittlerweile emeritierte Geschichts-Professorin der Universität Bremen, zusammen mit Studierenden und der Bremer Shakespeare Company historisches Aktenmaterial in szenischen Lesungen auf die Bühne. Monatelang durchforsten für jede Ausgabe der Reihe „Aus den Akten auf die Bühne“ Studierende die Archive, sammeln Polizeiverhöre, Gerichtsakten, Presseartikel oder Dokumente wie Feldpostbriefe und Tagebücher. Am Dienstag ist das bundesweit einzigartige Projekt erstmals in Hamburg zu sehen. „Geflüchtet, unerwünscht, abgeschoben“ thematisiert den Umgang mit Geflüchteten in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg und zeigt überraschend eindeutige Parallelen zur gegenwärtigen Situation auf.
Mi, 12. 10., bis Fr, 14. 10., 20 Uhr, Polittbüro
Recherchetheater II
Recherchieren, Sammeln, Auswerten: Das ist – vermutlich – auch das Alltagsgeschäft des Verfassungsschutzes. Aber Genaues weiß man nicht, die Tätigkeit eines Geheimdienstes ist nun mal schwer recherchierbar. Für ihr Theaterstück „V wie Verfassungsschutz“ hat die Kölner Gruppe Nö-Theater 2012 also zurückgegriffen auf das, was zugänglich ist: die Verwicklung des Dienstes in die Mordserie des NSU. Für die engagierte Spurensuche von der RAF bis zum NSU gab es unter anderem den Kölner Theaterpreis und den Jury-Preis der Heidelberger Theatertage.
Vier Jahre später widmet sich die Gruppe in Kooperation mit dem Polittbüro nun noch einmal allen immer noch offenen Fragen rund um den NSU und den Verfassungsschutz. „A wie Aufklärung“ heißt die Fortsetzung, die ausdrücklich die Perspektive der vom Terror Betroffenen stärken soll. Und die fragt auch, ob wir die Antworten denn überhaupt wissen möchten. MATT
Mi, 12. 10., 19.30 Uhr, Literaturhaus
Kreuzberger Befindlichkeiten
„Es mag ein schwach von der Braunkohle gesüßter Frühlingstag gewesen sein, April oder Anfang Mai, wie er für SO 36, wo es noch unzählige Wohnungen mit Kaminfeuerung gab, typisch war. Vielleicht kam die Süße der Braunkohle auch aus dem Osten, der jenseits der Mauer darauf wartete, vom Westen verheizt zu werden. Nirgends war der Osten so nah wie in Kreuzberg.“ Nein, Neuland beschreitet Gerhard Falkner nicht, wenn er seinen Debütroman „Apollokalypse“ (Berlin Verlag, 432 S., 22 Euro, E-Book 19,99 Euro) im Westberlin der 70er-Jahre ff. ansiedelt. Aber wie Falkner, ansonsten Lyriker, Essayist und Übersetzer, das tut, das lohnt das Lesen eben doch – oder das Zuhören: Seine Geschichte dreier junger Männer, mit Vorsprung geborener und doch auf je eigene Weise strauchelnd, erzählt er unter Zuhilfenahme von Doppelgängermotiven und griechischer Mythologie, und der Teufel selbst spielt auch mit.
Di, 11. 10, 21 Uhr, Westwerk
Gitarre wie Stockhausen
Er war Postrock vor Postrock, hatte die Finger im Spiel, als ein Ort wie Louisville, Kentucky, in den 90er-Jahren von Indie-verdrossenen Rock-Nerds – oder waren es des Rocks überdrüssige Indie-Spezialisten? – auf der halben Welt angehimmelt wurde wegen des Sounds, den sie da machten. Oder, noch mal anders: Er „spielte Gitarre wie Stockhausen Klavier spielte“ – so stand es neulich in der taz –, als andere sich gerade noch dafür auf die Schulter klopften, dass sie die Musik eines Steve Reich auf irgendeinen Dancefloor hatten überreden können.
Dass dieser David Grubbs von der, nun ja, E-Musik des 20 Jahrhunderts etwas versteht, das weiß, wer irgendwann mit ihm zu tun hatte in den vergangenen 20+ Jahren. Nun hat er ein Buch geschrieben darüber, wie wenig die Musik nach John Cage in Aufnahmen zu ihrem Recht komme; dass sie aufgeführt gehöre und vor allem das. Da kann man es folgerichtig finden, dass er zur Lesung auch die Gitarre mitbringt – wenn auch gleich noch ein neues Album. ALDI
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