: Was sind eigentlich „Todesschwadronen“?
■ Amtsgericht verurteilt wegen Beleidigung der „16E“-Schicht
Eigentlich wollte sich Christan S. im Prozeß um die Hausbesetzung in der Tegethoffstraße im vorigen Herbst nur verteidigen – schließlich war er von Fahndern der umstrittenen „16E“-Schicht (Lerchenwache) des „Steinwurfs“ bezichtigt worden. Doch seine Worte brachten ihm nun eine weitere Verurteilung wegen Beleidigung ein.
Christian S. hatte damals die Rolle und Funktion der „16E“-Schicht – der vom Hamburger Landgericht und Amnesty International „Menschrechtsverletzungen“ vorgeworfen worden sind – angreifen wollen. Und so zog er den Vergleich zur „Menschenjagd“. Denn die Beamten beschrieben selber mal eine Observation so: „Und dann trennten wir uns pärchenweise und machten freie Jagd.“
Kaum hatte er das Wort „Menschenjagd“ über die Lippen gebracht, versuchte man, die Prozeßerklärung zu beschlagnahmen. Doch Sekunden zuvor verschwand das begehrte Papier wieder in den Unterlagen von Anwalt Andreas Beuth, so daß das Schriftstück als Verteidigerunterlage einem Beschlagnahmeverbot unterlag.
Doch das hielt den Staatsanwalt nicht davon ab – anscheinend den Wortlaut im Kopf –, Anzeige zu erstatten. Er behauptete sogar, Christian S. habe die Beamten als „Menschenjäger“ tituliert, die mit den südamerikanischen Todesschwadronen gleichzusetzen seien. Prompt begannen Justitias Mühlen zu mahlen. Sieben Prozeßtage lang versuchte Amtsrichter Lutz von Selle Licht in das Dunkel zu bringen. Richter, Staatsanwalt und Verteidiger und zahlreiche Zeugen wurden gehört, um herauszufinden: Was hat Christian S. tatsächlich gesagt?
Klarheit brachte der Prozeß nicht. Und so kam es, daß selbst der Ankläger aus der Politabteilung der Staatsanwaltschaft auf „Freispruch“ plädierte. Doch das war Amtsrichter Lutz von Selle egal: Er verdonnerte jetzt Christian S. wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 50 Tagesdssätzen a 15 Mark. Als „völlig überzogen“ bewertet von Selle die Äußerung. Nun wird sich das Landgericht als Berufungsinstanz mit dem Fall befassen müssen. Ubrigens: 17 Beamte der „16E“-Schicht sind in den vergangenen Monaten ausgetauscht worden. Kai von Appen
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
