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Was schert mich mein Wind von gestern

Die Stadt Spremberg wollte mit Geldern aus der Staatskasse einen Windenergiepark bauen. Seit sie selber Strom aus Braunkohlekraftwerken verkauft, will sie davon nichts mehr wissen  ■ Von Henno Osberghaus

Zu schön, um wahr zu sein: Als erste Stadt in Deutschland könnte das Spremberg in Brandenburg ein Viertel seines Strombedarfs aus Windkraft decken. So war es geplant. Tatsächlich aber dreht sich bis heute kein einziges Windrad in Spremberg. Im Gegenteil, die Stadt, fest im Lausitzer Braunkohlerevier verankert, versucht systematisch, den Aufbau eines Windparks zu verhindern.

Die Firma Ventus für Windkraftanlagen möchte bei der kleinen Stadt mit 25.000 Einwohnern 10 Windkraftanlagen für 15 Millionen Mark und mit einer Kapazität von 5,6 Megawatt errichten. 3.000 Haushalte könnte sie mit umweltfreundlichem Strom versorgen.

Stehen sollen die Windräder auf der 30 Meter aufragenden Hochkippe am Rande der Stadt. „Hochkippen“ heißen die künstlichen Berge, entstanden an den Rändern des Braunkohletagebaus als Abladeplätze der ausgehobenen Erdmassen.

Die Windverhältnisse sind dort günstig, fast wie an der Nordsee. Vier verschiedene Windradtypen will die Firma hier vergleichen und für ähnliche Standorte in aller Welt Ergebnisse sammeln. Ein einmaliges Forschungsprojekt in Europa, das unter anderem auch das Brandenburger Wirtschaftsministerium mit 1,7 Millionen Mark fördert.

Anfangs zeigte sich auch die Stadt Spremberg angetan und vergab einen positiven Bauvorbescheid, die Grundlage für aufwendige Probebohrungen und Erkundungsarbeiten. So konnte die Firma zu Recht davon ausgehen, die Gelder nicht in den Sand zu setzen.

Zwei Jahre ist das her. Schon einige Monate danach wurde Spremberg Besitzerin der Stadtwerke und damit selbst zum Energiekonzern. Zwar stellt sie keinen Strom her, aber sie kauft ihn beim Energieversorger Essag ein und mit Gewinn an ihre Bürger weiter. Damit verging ihr jegliche Lust an umweltfreundlicher Windenergie. Die schönen Einnahmen, die sich mit dem Stadtwerk machen lassen, sollen nicht durch den sauberen, aber etwas teureren Strom aus der Windkraft geschmälert werden. Denn jede Kilowattstunde kostet zwei bis drei Pfennig mehr als bei der Essag. Zum Ankauf des Windstroms aber verpflichtet das Bonner Einspeisegesetz.

Seit der Stadt das begriffen hat, ist sie ein erbitterter Gegner des Windparks. Obwohl die geschätzten Mehrkosten pro Haushalt nur fünf bis sechs Mark pro Monat betragen. Zudem wäre es der Stadt sogar möglich, die Hälfte der zusätzlichen Kosten an die Essag weiterzugeben.

„Die Stadt versucht das Projekt auf nur jede erdenkliche Weise zu kippen“, behauptet Krüger von der Firma Ventus. „Ja, wir mußten unsere Position neu bedenken“, gibt Bürgermeister Egon Wochatz zu.

Zuerst versuchte die Stadt vergeblich, den Bauvorbescheid zurückzuziehen. Dann sträubten sich die Stadtwerke, die Einspeisung ins Stromnetz zu genehmigen. Erst der Druck der Brandenburger Kartellbehörde half nach. Zudem forderte die Stadt aufwendige und kostspielige Erschließungspläne von der Betreiberfirma, deren rechtliche Zulässigkeit umstritten ist. Gegenüber der Firma Ventus macht das zuständige Bauamt neue Bedenken des Ministeriums für Natur-, Umweltschutz und Raumordnung geltend. „Das hat sich als schlichte Falschaussage entpuppt“, meint Krüger. Er hat daraufhin Dienstaufsichtsbeschwerde wegen Verfahrensbetrug bei der Kommunalaufsicht eingelegt – ohne Erfolg.

Um dennoch das Projekt voranzubringen, ging Ventus auf die Forderung der Stadt ein und legte den Erschließungsplan vor. Doch die Stadt hatte vorgesorgt. Schon ein knappes Jahr zuvor hatte die Gemeinde die Hochkippe zum Naherholungsgebiet erklärt. Aber erst jetzt, vier Tage, nachdem ihnen die Unterlagen vorlagen, auf die sie so lange gepocht hatten, erklärten die Stadtväter, das Projekt habe sich erledigt. Denn Windkraft und Naherholung, das vertrage sich nicht.

Das Land Brandenburg aber hat das Gelände als sogenanntes Vorranggebiet für potentielle Windkraftanlagen festgelegt. „Landesrecht geht vor Kommunalrecht“, meint Wiedhold Lawall von der Kommunalaufsicht des Kreises, die sich in den Fall eingeklinkt hat. Das sei eine bindende Entscheidung, auch für die Stadt.

Doch Sprembergs Treue zur heimischen Braunkohle lohnt sich. Die Energieunternehmen greifen der Stadt dankbar unter die Arme. Mitte November unterzeichneten die Stadtwerke mit den Energiefirmen Laubag und Veag einen 20- Jahres-Vertrag zur Fernwärmeversorgung. Laubag und Veag brauchen dringend Strom- und Wärmeabnehmer, denn sie bauen gerade ein neues Kraftwerk. Es kostet fünf Milliarden Mark.

Die Stadt erhielt günstige Konditionen und einen Knebel verpaßt: Sie verzichtet darauf, selbst Energie herzustellen. Veag-Vorstandssprecher Jürgen Stotz bezeichnete den Spremberger Vertrag als einen ersten Schritt gegen den „Eigenerzeugungsbazillus“ in den ostdeutschen Kommunen. Und ganz freimütig bezweifelt Ulrich Schmidt, Geschäftsführer der Stadtwerke Spremberg, daß die Stadt so günstige Bedingungen erhalten hätte, wenn sie gleichzeitig einen Windpark genehmigt.

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