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Was ist geblieben von der DDR?„Die Erinnerung verblasst immer mehr“

■ Der Ostberliner Rentner Bernd Michalski (60) klagt über „Betonköpfe im Osten“

Eigentlich ist nichts übrig geblieben. Ich bin auch ganz froh darüber. Übrig geblieben sind natürlich Mauerreste wie die East Side Gallery am Spreeufer. Ich halte davon aber nicht viel, ich will von der Mauer nichts mehr wissen und nichts mehr sehen. Man muss das da nicht stehen lassen, man sollte lieber einen vernünftigen Weg machen, damit man auch am Ufer langlaufen kann. Meinetwegen kann man irgendwie ein Segment als Erinnerungsstück für Touristen aufstellen. Aber als Berliner möchte ich das nicht mehr sehen.

Es gibt natürlich noch Mentalitätsunterschiede. Manche Ostler ziehen Vergleiche zur DDR, die total unrealistisch sind wie beispielsweise bei den Fahrpreisen, die früher bei 20 Pfennig lagen. Die vergessen dann, dass damals alles subventioniert wurde.

Die DDR ist ja auch an Subventionen kaputtgegangen. Die mussten ja, um ein Loch zu stopfen, drei aufreißen. Viele aus dem ehemaligen Osten sehen gar nicht, was in den letzten zehn Jahren geschaffen wurde. Ideal ist das alles nicht. Aber den idealen Staat wird es nie geben.

Eigentlich habe ich nichts in guter Erinnerung von der DDR. Das Einzige, was ich noch habe, sind Sachbücher. Ich bin Nahverkehrsfan und es war damals schwer, Bücher zu kriegen. Die habe ich aufgehoben. Und es gibt noch einzelne Tassen oder Teller aus DDR-Zeiten, was man noch für den Allgemeingebrauch in der Woche nimmt. Aber ansonsten verblasst die Erinnerung nach 10 Jahren immer mehr. Manche wissen gar nicht mehr, wie es war, wenn man bestimmte Sachen kaufen wollte, die es nicht gab. Was man sich da an Freizeit ans Bein gebunden hat!

Ich finde schon, dass man eine Erinnerungsfeier für 10 Jahre Mauerfall veranstalten müsste. Vielleicht nicht zu bombastisch. Hier im Osten gibt es noch Leute, die gehen grundsätzlich nicht in die Westsektoren, man hat ja noch solche Betonköpfe. Auf mich trifft das nicht zu. Ich kenne Westberlin sehr gut, weil ich jahrelang beim Wachschutz gearbeitet habe und in 35 verschiedenen Objekten eingesetzt war. Ich bin kein Ossi und auch kein Wessi, ich bin ehemaliger Ossi und Berliner. Aufgezeichnet von Barbara Bollwahn de Paez Casanova

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