: Was heißt hier frei?
■ Im Rahmen des Festivals „Politik im Freien Theater“, das gestern zu Ende ging, wurden die staatliche Kulturpolitik und die Funktion des Freien Theaters unter die Lupe genommen
Im Rahmen des Festivals „Politik im Freien Theater“, das gestern zu Ende ging, wurden in einem dreitägigen Begleitseminar Fragen nach dem Zusammenwirken von Freiem Theater, Bürokratie und Kulturpolitik gestellt. Vertreter der kommunalen Kulturverwaltung diskutierten mit Mitarbeitern der Freien Gruppen. Im Vordergrund stand dabei die Frage nach den finanziellen Rahmenbedingungen und dem künst
lerischen Aspruch für die Theaterarbeit.
Während sich die Kulturämter noch darum bemühen, Modelle zu entwickeln, wie die - wenn auch geringen - vorhandenen Gelder möglichst gerecht und gewinnbringend verteilt werden können, gehen die Forderungen der Freien Gruppen in eine ganz andere Richtung: Sie reichen von dem Wunsch nach der Zurverfügungsstellung von Spielstätten und Gerätepools bis hin zur Schließung der staatlichen Bühnen und der Umstrukturierung der gesamten Theaterszene.
Mit einem Wort: Es ging bei den Seminaren um die Frage der staatlichen Kulturpolitik. Die befindet sich zur Zeit nämlich im Wandel. Während einerseits die Kulturausgaben ständig gekürzt werden (in Bremen sanken sie zwischen 1981 und 1988 von 1,5 auf 0.9% des Haushaltes), erhält Kultur andererseits als Wirtschaftsfaktor einen ganz neuen Stellenwert. So hat die Universität Bremen ein Gutachten erstellt, dem zufolge 70% der Kultursubventionen wieder in das Staatssäckel zurückfließen; einmal ganz abgesehen von den sonstigen Effekten einer lebendigen Kulturszene auf Beschäftigungsverhältnisse, Wohn-und Freizeitwerte
einer Stadt.
In einen derartigen Zusammenhang gestellt, rechnen sich Mammutveranstaltungen wie beispielsweise das Großspektakel „Cats“ natürlich direkter und effektiver. Ständig vernachlässigt aber wird die Frage nach der sozialen Wirkung und Berechtigung von Theater. Ein Plädoyer hierfür hielt der Intendant der Bühne in Neuss, Egmont Elschner: „Als wichtige Säule neben der Gewaltenteilung, der Pressefreiheit und Bildung hat Theater die Aufgabe, gesellschaftliche Verhältnisse moralisch und emotional aufzuarbeiten“.
Freies Theater aber ist ein marginaler Bestandteil dieser Szene: es arbeitet im Bereich der nicht oder noch nicht durchgesetzten Kultur. Um hierfür ein Bewußtsein zu schaffen, bedarf es allerdings eines Umdenkungsprozesses, der nicht nur die Kulturpolitiker betrifft. Die Freien Theater dürfen nicht zu bloßen Subventionsspekulanten werden. Sie müssen vielmehr, wie Dieter Jaenicke von der Kampnagel-Fabrik in Hamburg forderte, eigenverantwortlich tätig werden, über einzelne Städte hinaus kooperativ zusammenarbeiten und versuchen, Einfluß auf die staatliche Kulturpolitik zu nehmen.
a.ha
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