: Was heißt Palästinenser-Autonomie?
EG-Vertreter für besetzte Gebiete erhält Diplomatenstatus/ Gegner der „Autonomie“ formieren sich ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin
Seit letzten Dienstag gibt es einen Vertreter der EG-Kommission für die Westbank und den Gaza-Streifen. Die Kommission wird künftig durch den Spanier Thomas Dupla vertreten sein, der diplomatischen Schutz genießen wird. Damit hat das israelische Außenministerium auf eine langjährige Forderung der EG reagiert. Denn bislang hatte sich die israelische Regierung auch im Verhältnis zur EG geweigert, anzuerkennen, daß die besetzten Gebiete als eigenständige Einheit behandelt werden. Die EG untermauert mit der Einrichtung einer zweiten EG-Vertretung, daß die besetzten Gebiete keinesfalls als Teil Israels betrachtet werden dürfen. In Tel Aviv gibt es bereits seit zehn Jahren eine EG-Vertretung im Rang einer Botschaft.
Die israelische Regierung hat sich aber mit Erfolg gegen die Eröffnung eines EG-Büros in den besetzten Gebieten gestellt, das nun seinen Sitz in Brüssel haben wird. Sie besteht außerdem darauf, darüber zu entscheiden, wie und an wen die EG-Hilfe für die Palästinenser verteilt wird. Nach Angaben einer EG-Sprecherin in Tel Aviv will die EG die besetzten Gebiet in diesem Jahr mit umgerechnet 22,2 Millionen Mark unterstützen. Die Gemeinschaft habe ihr Vorhaben bereits dem israelischen Koordinator für die besetzten Gebiete, Danny Rotschild, mitgeteilt.
Über den Status der besetzten Gebiete ging es auch Anfang der Woche in einer langen und heftigen Debatte zum Thema „Autonomie“, die in der erweiterten Knessetfraktion der Nationalreligiösen Partei Israels geführt wurde. Dort erklärte der stellvertretende Minister im Ministerpräsidium, Benjamin Netanjahu, daß Schamir im Rahmen der Nahost- Verhandlungen nicht das „Format von Autonomie“ befürworte, das im Camp-David-Abkommen 1978 vorgesehen war. Eigentlich werde es gar nicht um „Autonomie“ der Palästinenser in den besetzten Gebieten gehen. Nach Ansicht Netanjahus sollte man vielmehr vier Kantone in jenen Teilen der Westbank bilden, in denen besonders viele Palästinenser leben: in der nächsten Umgebung der vier Städte Hebron, Nablus, Kalkilya und Jenin. Die Bezirke sollen unter israelischer Herrschaft bleiben. Dies ist sozusagen das Komplement zu Scharons Plan einer Annektion der Teile der Westbank, wo sich die meisten jüdischen Siedlungen befinden.
Gestern hielten die Gegner der „Autonomie“ eine Versammlung ab, auf der das Knessetmitglied Hannan Porat sprach. Er ist einer der erfahrensten „Siedlerpioniere“ und war an der Gründung der ersten Gusch-Emunim-Siedlungen beteiligt. Er schlägt vor, die besetzten Gebiete zu annektieren und dann den Palästinensern „zu genehmigen“, daß sie die von ihnen bewohnten Städte durch eigene Stadträte verwalten.
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