■ Glosse: Was für Manieren!
Detlef Diederichsen ließ sich in seiner jüngsten Querschnitt-Kolumne über „den guten Ton, unfreundlich zu sein“ aus. Viele vor ihm haben zu vielen Gelegenheiten davon berichtet, wie zum Beispiel „das Nicht-Grüßen“ (DD) aufhört, sobald „Friends in High places“ (DD) nähertreten.
Diederichsen will nicht wie sonst originell sein, charmant oder manchmal grundsätzlich, sondern notorisch schlechte Manieren wichtig genug nehmen, um als netter, wenn auch etwas säuerlicher Onkel aus der „wohlerzogene(n) Kolumne“ etwas Knigge mit einem Portiönchen Humanismus einzufordern.
Hier macht es sich Diederichsen, statt wegen gescheiterter Platten oder wirklich schlimmer Bemerkungen wütend zu werden, mit dem Verweis auf einen Mangel an Etikette gemütlich. Deshalb fragt es sich weniger, ob Diederichsens Beobachtungen stimmen, als vielmehr, ob er hier überhaupt ein Problem der taz-Leserschaft lokalisiert hat.
Denn liest man den Leserbrief von Peter Heck zum Verriß der Pseudo-Alleskönner von Phish (taz vom 1. August), so begegnet man dort einer der ödesten Formen von Selbstvergessenheit bei jemand, der nach 450 Grateful-Dead- und 40 Phish-Livemitschnitten durchaus ernsthaft schreibt: „Ungegniedelte Musik kommt mir nicht ins Haus.“
Daneben steht ein Brief Peter Sempels, dem die Berufsbezeichnung „Regisseur“ nicht reicht, und der deshalb als „Filmpoesiearbeiter“ der eigenen Angst vorbeugen muß, sich unter Wert vorzustellen. Dazu schreibt Sempel einen bloß nett gemeinten Kuddelmuddel-Schwall an Informatiönchen auf. Solche Manieren verweisen auf etwas Schlimmeres als schlechte Manieren.
Wer da über Schlimmeres schweigt, indem er bloß schlechte Manieren moniert, arbeitet insofern vielleicht sogar an Schadensbegrenzung. Somit hat Detlef Diederichsen doch eine gute Tat getan.
Kristof Schreuf
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