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Was für Blinde Alltag ist Grande Göre

■ Anne Bennent sang in der Kantine

Kreischend, trällernd und lustvoll schmachtend räkelte sich Anne Bennent am Sonntag abend in der Kulisse des Zigeunerbarons im Schauspielhaus. Das zerstörte Theater diente der Chanteuse und dem Pianisten Joachim Kuntzsch als ideale Kulisse für ihre französischen Gossenlieder, mit denen sie die zahlreich erschienenen Zuhörer zwei Stunden engagiert und durch theatralische Überzeichnung humorvoll zu unterhalten wußte.

So frech, offenherzig und mit natürlichem Charme interpretierte Bennent die von Boris Vian, Edith Piaf und Jaques Prevert komponierten Chancons, daß im großen Haus fast eine freundschaftlich familiäre Atmosphäre endstand.

Sie war die Grande Dame in schwarzem Samt, die sich pikiert von einem Butler durch das Bühnen-Gerümpel führen ließ, affektiert zum ersten Ton ansetzte und überzeugend die Haltung bewahrte, als der Pianist den Gesangspart plötzlich selbst übernahm. Sie war das durch alle Poren Erotik verströmende Luder, das sich exzentrisch auf dem Flügel herumlümmelte und dem Pianisten zu „Ne me quitte pas“ (“Verlaß mich nicht“) von Jaques Brel in die Tasten zu fallen drohte. Sie war auch das kleine verspielte Mädchen, das gar lieblich „Les amants d'un jour“ eine tragisch endende Liebesgeschichte, zu singen fähig war und dazu neckisch das Kleidchen schürzte. Aus jeder noch so unspektakulären Geste vermochte sie ein Ereignis zu machen. Es bleibt zu hoffen, daß dieser erfrischende Gesangsabend seine wohlverdiente Wiederholung findet. Simone Ohliger

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