: Was Schönes für die Stadt
■ Die Provinz lebt: Bremens Kunstexperten streiten über ein Brünnlein, das nicht auf dem Domshof prangen soll – oder etwa doch? / Kunstbeirat vs. Deutsche Bank
Kaum jemand hat das Ding je gesehen, aber gestritten wird darüber trotzdem. Die Brunnenskulptur, die der Bremer Bildhauer Bernd Altenstein auf den Domshof setzen will, entzweit seit Wochen die kunstinteressierte Öffentlichkeit. Gestern präsentierte der Meister sein Werk endlich an Ort und Stelle, wenn auch nur kurz und bloß im Modell. Demnach soll künftig eine stilisierte Erdkugel die nördliche Platzecke zieren, garniert mit Szenen der Menschheitsgeschichte von der Steinzeit bis zur Raumfahrt, ja: Rings um den Globus bersten die Menschlein aus dem Boden, alles hübsch zerfurcht mit dramatischen Rissen, aus denen schließlich Wasser übers Erdenrund plätschert. Dies alles bei nur 1,60 Meter Durchmesser. Von einem „Brunnen“ könne daher auch gar keine Rede sein, hieß es gestern bei der Präsentation. Die aktuelle Sprachregelung: „Benetzte Kugel“ oder auch „Feuchtskulptur“. Wo genau das feuchte Kunststück nun stehen soll – darüber allerdings gab es auch gestern keine Einigung.
Unversöhnlich stehen sich seit Anfang April die Kontrahenten gegenüber. Hier der amtliche Kunstbeirat, der nicht rechtzeitig gefragt wurde, was er von der Sache hält; dort die Deutsche Bank, Auftraggeberin des Kunststücks. Die Bänker nämlich hatten es doch nur gut gemeint. „Wir wollen uns hier kein Denkmal setzen; wir wollen was Schönes für die Stadt“, sagt Bankdirektor Ernst Wilhelm Contzen. Was Schönes, das auch zur neuen Ladenpassage paßt, die mit Hilfe der Bank am Domshof entsteht. Etwas, das den neu eingefaßten Platz „akzentuiert“, wie Architekt Harm Haslob erklärt.
Was Schönes, das freilich auch den 125. Geburtstag der Deutschen Bank akzentuieren soll. Die Bremer Filiale, die älteste Deutschlands, will ihr Jubiläum am 1. Juli gebührend feiern. Altensteins Kunst soll das ihre dazu tun. Natürlich, sagt Contzen, wolle er das gute Stück daher in der Nähe des Bankgebäudes aufstellen und nicht irgendwo auf dem zugigen Platz.
Doch mit der schönen Schenkung sind jene nicht einverstanden, die von Amts wegen über alle Kunst im öffentlichen Raum wachen. Der Kunstbeirat, der die Kultursenatorin fachlich berät, wurde nämlich erst im Frühjahr informiert. Zu spät, um noch z.B. einen Wettbewerb auszuschreiben – Altenstein war schon am Werke. Das Votum des Beirats war eindeutig: Einstimmige Ablehnung des Standortes; Kritik am unordentlichen Verfahren. Auch beim gestrigen Gipfeltreffen änderte sich nichts.
„In Ihrem Vorgarten können Sie gern einen Gartenzwerg oder auch einen Brunnen aufstellen“, empfahl Kunstfreund Klaus Bernbacher dem Bankdirektor; „aber das hier ist öffentlicher Raum.“
Übersetzung: Die Deutsche Bank soll ihre benetzte Kugel auf eigenem Grund und Boden sprudeln lassen. Zum Beispiel in der neuen Passage. Schon hätte der Kunstbeirat nichts mehr dagegen. Unmöglich, sagen die Bänker. Fachleute hätten ihnen geraten, bloß nichts in der Passage zu plazieren: „Der Durchblick darf nicht verstellt werden“, sagt Architekt Haslob – sonst sei zu fürchten, daß das Publikum sich irgendwie abgehalten fühle. Und sei's durch eine kleine Kugel.
So rollen die Fachleute die Feuchtplastik im Geiste hin und her. Eine reine Standort- und Verfahrensfrage, wie beide Seiten beteuern. Nichts gegen die Kunst an sich. Schließlich war der Meister gestern selbst anwesend. Da ist schlecht lästern. Dennoch ist allen klar, daß Altensteins drastisch-plastisches Weltkunststück es schwer hätte, sich in einem öffentlichen Wettbewerb durchzusetzen. Aus seiner Kritik macht zumindest Thomas Deecke, Direktor des Neuen Museums Weserburg, keinen Hehl. „Wenn das ein Superding gewesen wäre, dann wäre die Entscheidung des Kunstbeirats sicherlich anders ausgefallen“, erklärte er auf Nachfrage der taz. Aber hier drohe dem Domshof „Provinzkunst auf schlimmstem Niveau“, „kitschig“ und eigentlich sowieso „unter aller Kritik“.
Ganz so drastisch, auch das wurde gestern deutlich, sehen es nicht alle Experten. Aber alle sehen die in Bremen üblichen Entscheidungswege unterhöhlt. Dem Bankdirektor liegt zwar nichts ferner als das, wie er beteuert: „Ich wußte gar nicht, daß es so einen Beirat gibt.“ Gleichviel – Deecke beharrt: „An solch wichtigen Plätzen müssen Entscheidungen grundsätzlich öffentlich und von Fachgremien gefällt werden – und nicht von den Rotariern.“ Überhaupt werde er „aus diesem Haufen austreten“, sollte sich die Bank gegen den Beirat durchsetzen.
So bleiben die Fronten verhärtet. Der Kunstbeirat will nun doch nochmal tagen, seine Kritik aber nicht revidieren. Bankdirektor Contzen erwartet mißmutig Altensteins Rechnung. Und die Gießerei gießt fleißig an der Feuchtskulptur. Pünktlich zum Jubiläum, verspricht der Künstler freudig, ist das Werk vollendet. Wo immer es dann sprudeln wird. tw
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