am puck der zeitgeschichte
: Warum es die Eisbären Berlin ohne die Stasi gar nicht geben würde

Dynamische Schlachtenbummler

Die Eisbären Berlin sind ein moderner Verein an der Spitze der Eishockeyliga. Am Freitag gewannen sie mit 5:3 gegen Augsburg und liegen nach dem siebten Sieg in Folge weiter auf Platz eins. Geführt werden die Ostberliner von einem amerikanischen Konzern.

Er nennt sich Anschutz Entertainment Group (AEG) und ist im Firmenimperium des milliardenschweren Philip Anschutz auf Gewinn bringende Unternehmungen in Sport, Spaß und Unterhaltung aus. In einem AEG-Neubau sollen die Eisbären einmal spielen, direkt an der Spree gelegen und eingebettet in ein Büro- und Vergnügungs-Areal. Noch hauen die Spieler aber im Wellblechpalast gegen den Puck, in einer legendären Sporthalle im Sportforum Hohenschönhausen.

Die Eisbären sind dabei, sich mit allen Attributen des kommerziellen Sports zu schmücken. Doch ohne die närrische Verbundenheit des Erich Mielke zum Eishockey gäbe es die Eisbären vermutlich gar nicht. Mielke, oberster Stasichef, mochte das flinke Spiel auf dem Eis. Er stemmte sich kraft seines Amtes gegen den DDR-Sportbeschluss aus dem Jahr 1969: Nur noch medaillenträchtige und vor allem olympische Sportarten sollten fortan gefördert werden. Eishockey gehörte nicht dazu.

Trotzdem startete 1970 das Rudiment einer Liga den Spielbetrieb. Es war eine Meisterschaft, an der nur zwei Klubs teilnahmen: Dynamo Berlin und Weißwasser. Berlin wurde 15-mal Meister. Das Herz der meisten Anhänger im Land hing freilich an Underdog Weißwasser.

Mielke tat alles, um seinen Sport zu erhalten. Er setzte sich immer wieder gegen Versuche von Sportchef Manfred Ewald durch, Eishockey von der Bildfläche verschwinden zu lassen. Es gibt grotesk anmutende Protokolle der Gespräche zwischen Mielke und seinem Schergen Ewald. „Ich weiß, Genosse Ewald“, belehrte Mielke sein Gegenüber im März 1986, „dass du gegen Eishockey bist, aber ich bin dafür. Es ist ein schöner Sport, der die Massen begeistert und auch die Spieler, und deshalb sollen sie spielen“, sagte er mit der gleichen Einfalt, die in seinem berühmten, vor der Volkskammer gefallenen Satz „Ich liebe euch doch alle“ lag.

„Auch wenn wir nicht in die A-Gruppe [der Weltmeisterschaft; d. Red.] aufgestiegen sind, werden wir weiter Eishockey spielen“, legte Mielke sodann per Handstreich fest. Ewald, Kopf des DDR-Plandopings, versuchte den Stasichef mit Schmeicheleien („Wir achten und wir ehren dich, wir wissen, dass du der erfahrenste Mann auf dem Gebiet des Sports bist“) gewogen zu stimmen, doch der Umgarnte blieb hart. Da nutzte auch der Einwand, wonach „der Eishockeysport auf absehbare Zeit keine Perspektive“ habe, nicht sehr viel, geschweige denn die Argumente, die Ewald ins Feld führte. Eishockey, insistierte er, entziehe anderen Sportarten vielversprechende Talente, sei zu teuer und schädige das internationale Ansehen der Sportnation DDR.

Erich Mielke aber wollte Eishockey – und er bekam Eishockey. Und die Eisbären-Fans kokettieren heute mit dieser Vergangenheit des Klubs. Trotzig und stolz rufen sie immer noch „Dynamo, Dynamo“ in den Bauch des Wellblechpalastes in Hohenschönhausen hinein. Der Herr Anschutz hat sich von diesen Ritualen unterrichten lassen. Den Musterkapitalisten aus Übersee sollen sie kalt gelassen haben.

MARKUS VÖLKER