: Warum eine leichte Inflation gut ist
GELD Europas Zentralbanker fürchten eine Deflation. Japan gilt als warnendes Beispiel
BERLIN taz | Während sich große Teile der deutschen Bevölkerung vor einer Inflation fürchten, geht bei der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt ein anderes Gespenst um: die Deflation. Die Zentralbanker versuchen, eine drohende Deflation in der Eurozone zu vermeiden und die Wirtschaft anzukurbeln. Wie gefährlich eine Deflation ist, zeigt Japan, das seit mehr als 15 Jahren nicht vom Fleck kommt.
Unter Inflation versteht man eine allgemeine Erhöhung der Preise für Waren und Dienstleistungen; entsprechend sinkt die Kaufkraft des Geldes. Eine hohe Inflation bei kaum steigenden Löhnen führt so zur Verarmung der Bevölkerung. Eine leichte Inflation hingegen wird als ideal angesehen, da in diesem Fall sowohl Unternehmen – in Erwartung künftig steigender Preise – investieren und die Verbraucher konsumieren, vor allem wenn auch die Löhne steigen. Die EZB verfolgt ein Inflationsziel von 2 Prozent; dieser Wert wird im Euroraum aber derzeit deutlich verfehlt, lag doch im August dieses Jahres die Preissteigerungsrate bei 0,3 Prozent. Deshalb soll mit einer Politik des billigen Geldes die Investitionsbereitschaft der Unternehmen und die Konsumbereitschaft der Verbraucher angeregt werden. Allerdings ist auch dies nicht ohne Risiko, da Spekulationsblasen drohen, wenn zu viel billiges Geld im Umlauf ist. So führen manche Experten die Verteuerung von Immobilien – und damit der Mieten – in deutschen Großstädten auch auf spekulative Anleger zurück, die nicht wissen, wohin sie mit ihrem Geld sollen.
Fallen die Preise auf breiter Front, spricht man von einer Deflation. Die Folgen können fatal sein: Kaum ein Unternehmen traut sich zu investieren, selbst wenn es günstigere Kredite bekommt. Denn bei fallenden Preisen kann man künftig kaum Gewinne erzielen. Und die Verbraucher verzichten auf Konsum, da sie ja in Zukunft für gleiche Waren oder Dienstleistungen weniger bezahlen müssten. In der Folge bricht die Wirtschaft ein; Arbeitslosigkeit und Verarmung drohen.
Seit Jahren leidet Japan unter einer Deflation, die mit dem Platzen einer großen Immobilienblase begann. Immer wieder versuchte die Regierung mit geringem Erfolg, die Wirtschaft durch Konjunkturprogramme anzukurbeln. In der Folge stieg die Staatsverschuldung rasant an. Japan hat derzeit eine Schuldenquote von mehr als 240 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung; in Griechenland sind es rund 175 Prozent.
Am Donnerstag kündigte die japanische Notenbank an, ihren Kampf gegen Preisverfall und Konjunkturschwäche fortzusetzen. Die Bank will Wertpapiere im Volumen von jährlich bis zu 507 Milliarden Euro aufkaufen. Japans Wirtschaft setze ihre moderate Erholung fort, hieß es, nachdem die Konjunktur im zweiten Quartal wegen einer Mehrwertsteuererhöhung eingebrochen war. Im nächsten Jahr soll diese Steuer weiter steigen – um die Staatsverschuldung künftig in den Griff zu kriegen.
RICHARD ROTHER