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■ Warum Konservative die Verbrechen der Wehrmacht nicht ertragenRettet die Familie!

Der Nationalsozialismus war kein verbrecherisches System. Das gehört zum kleinen Einmaleins der alten und der neuen Nazis. Also ist es für sie nur folgerichtig, die Ausstellung über die Verbrechen der Wehrmacht mit allen Mitteln zu bekämpfen. Notfalls auch mit Sprengstoff. Sie können gar nicht anders, ansonsten müßten sie ihr Weltbild zur Disposition stellen. Aber warum tun sich Teile der CDU und CSU so schwer mit der Ausstellung? Warum gelingt es den demokratischen Konservativen nicht, sich wie bei der „Auschwitz-Lüge“ und dem offenen Antisemitismus klar von der extremen Rechten abzugrenzen? An keinem anderen Punkt gibt es so eine große Schnittmenge zwischen Neonazis und Teilen der Union wie bei der Ablehnung derBotschaft: Unsere Väter und Großväter waren Mörder.

In einem Land, das sich nach Relativierung sehnt, darf natürlich ein solcher Satz nicht ungeschützt im Raum stehenbleiben. Also: Nicht alle Väter und Großväter waren Mörder. Manche waren Opfer. Ein paar Handvoll sogar Widerstandskämpfer. Damit sind wir bereits am Ende der Übung angelangt. Die Mehrheit der Deutschen muß damit leben, Verbrecher in ihrer Ahnengalerie zu haben, auf die man beim besten Willen nicht stolz sein kann. Muß? Nicht ganz. Ein Ausweg bleibt aus dem biographischen Drama. Und dessen Koordinaten lauten seit 1945: Nur eine Minderheit war aktiv in den Holocaust verstrickt. Der Rest war gleichfalls Opfer, sprich Angehöriger der Wehrmacht, die von ganz normalen deutschen Familien einen hohen Blutzoll forderte. Das wurde in den vergangenen Jahrzehnten nachhaltig betrauert. Mehr oder weniger offen reklamierten viele Deutsche deshalb für sich den gleichen Status wie die Opfergruppen der Vernichtungspolitik. Praktischer Nebeneffekt: Die Linie, die Opfer und Täter trennt, wurde verwischt.

Die Empörung und die Wut, die der Wehrmachtsausstellung entgegenschlagen, sind leicht zu erklären. Sie setzt dem Mythos der ehrbaren Wehrmacht ein Ende und schneidet damit all jenen, die noch glaubten, sie kämen aus einer normalen und ehrbaren Familie, den letzten Rückzug ab. Und das hätte, wenn man es denn akzeptierte, weitreichende Folgen. Nicht nur die Erinnerungen an die eigene Kindheit und den Vater müßten einer Prüfung unterzogen werden. Auch die eigene Person stünde als Produkt der familiären Erziehung auf dem Prüfstand. So viel Familien- und Selbstkritik hält auch der härteste Konservative beim besten Willen nicht aus. Eberhard Seidel-Pielen

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