■ Warum Haase blockieren kann: Polit-Arithmetik
Müßte Verkehrssenator Herwig Haase über seine Arbeit Bilanz ziehen, es wäre eine peinliche. Für das vergangene Jahr geplante Pilotprojekte um den Alexanderplatz und Zoo, bei denen Autofahrer durch teure Parkplätze aus der City gedrängt werden sollten, sind noch immer nicht gestartet. Der Straßentunnel im Tiergarten wird bald gebaut, aber noch immer weiß niemand, wer die 600 Millionen Mark schwere Röhre bezahlen soll. Bei der Finanzierung des Öffentlichen Nahverkehrs bis ins Jahr 2002 sind Milliarden-Summen ungedeckt, und vier Jahre nach dem Fall der Mauer fährt noch immer keine einzige Tram in den Westen der Stadt. Der Stau wird länger, gleichzeitig erschweren die BVG-Preiserhöhungen, das Auto stehen zu lassen. Jetzt hat die SPD erneut getobt und durchsetzen können, daß das Busspurnetz um 100 Kilometer verlängert werden soll – was ebenfalls längst passiert sein sollte. Aber je mehr scharfe Töne, desto weniger ist zu verstehen, wie es dieser Blockade-Senator schafft, weiter in seinem Amt zu bleiben.
Doch in Großen Koalitionen gilt eine einfache Arithmetik. Für jeden Rücktritt eines Senators muß auch einer der anderen Partei gehen: Weder CDU noch SPD sollen ihr Gesicht verlieren. Und dieses Dogma ist Haases Macht. Solange die Sozis sich diesem Polit- Algorithmus unterwerfen oder selbst niemanden auswechseln, bleibt der Protest lediglich eine Unmutsbekundung. Dirk Wildt
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen