berliner szenen: Wartenauf Herrn Maxim Biller
Eine Weißhaarige neben mir isst geröstete Maiskörner aus einer Plastiktüte. Es wird dunkel. Schon bald sinkt ihr Kopf nach unten. Immer stärker. An einer leisen Stelle schreckt sie hoch und lacht auf. Berechtigt? Touché! (Mögliche Pointe selbst verschlafen.)
Zweistündige Lesung des Stücks „Kanalratten“ im Deutschen Theater. Im Anschluss lädt man zum Plausch mit Maxim Biller an der Bar ein. Bin dabei!
Doch worüber reden? Von der Verpflichtung nicht biodeutscher Autoren der persönlichen Migrationsgeschichte gegenüber? Lau gewordenes Eisen, würde selbst Biller bestimmt kaum noch reizen. Ebenso wenig wie mich ein deutsch-jüdisches Verwirrspiel auf- bzw. anregt, mit seinen sechs männlichen Charakteren und einer Frauenfigur.
In der Bar wartet ein pragmatischeres Problem: Es scheint sich um niemanden eine nennenswerte Gruppe zu bilden. Wie sieht Herr Biller denn aus? Wie der bulgarisch-jüdische DT-Schauspieler, der uns zum Treffen einlud? Spielt er des Autors Alter Ego? Oder ist Biller der Graumelierte, in dem ich, mit viel Fantasie, einen Jonathan-Franzen-Lookalike erkenne. Oder der, der über ein Headset gebrochenes Englisch in sein iPhone spricht? Zu isoliert – sogar für einen (quasi) deutschen Intellektuellen. Also der offensiv Flirtende mit der dicken Silberkette?
Nein, lass Maxim der lässige Dreißigjährige in Turnschuhen sein! Die Indizien verdichten sich: In stets neuen Konstellationen finden die vermuteten MBs zueinander. Mittendrin eine Blondine mit großen Locken und rot bemaltem Mund. Fehlt nur noch der Protagonist …
Ein Kahlköpfiger mit transparentem Brillengestell steuert auf die Mädels an meinem Tisch zu. Fragend sehen wir uns in die Augen. Sekundenlang. Haben wir den ganzen Abend aneinander vorbeifabuliert …? Emmi K.
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