: Warschau bleibt hetero
Der Bürgermeister von Warschau will erneut verhindern, dass Schwule und Lesben für ihre Rechte demonstrieren
Wenn es nach dem Willen des konservativen Warschauer Bürgermeisters geht, bleibt den Bürgern der polnischen Hauptstadt auch in diesem Jahr ein öffentlicher Umzug der Schwulen und Lesben erspart beziehungsweise vorenthalten – je nach Perspektive: Lech Kaczynski hat erneut sein Veto gegen die Warschauer „Gleichberechtigungsparade“ (Parada Rownosci) eingelegt, die von den drei größten schwul-lesbischen Organisationen Polens für den 11. Juni angemeldet worden war.
„Ich bin Befürtworter der Toleranz, aber Gegner der Unterstützung schwul orientierten Verhaltens. Hier bleibt alles beim Alten. Ich sage ab“, zitierte die polnische Presseagentur PAP den stramm konservativ-katholischen Bürgermeister Kaczynski, der als aussichtsreicher Kandidat für die polnischen Präsidentschaftswahlen im Oktober gilt. Zuvor hatten die Organisatoren der Stadtverwaltung unter anderem zugesichert, keine Parolen gegen die Kirche und den Warschauer Bürgermeister zuzulassen.
Nichtsdestotrotz zog dieser überraschend ein Ass aus dem Ärmel: Am Tag der Parade werde ein Denkmal des Generals Stefan Rowecki, eines Helden des polnischen Widerstands gegen die Nazis, in Warschau enthüllt. Eine schwul-lesbische Parade an einem solchen Tag sei laut Kaczynski „ein Witz“. Die polnischen Veranstalter vermuten, dass die Stadt Warschau mit allen Mitteln versuchen wird, die Parade zu verhindern. So erklärte letzte Woche der Sicherheitsbeauftragte der Stadt, dass seitens seiner Behörde der Genehmigungsauftrag noch immer geprüft werde.
Juristische Spitzfindigkeiten sind an die Stelle der doch recht deutlichen Worte aus dem letzten Jahr getreten, damals hatte Kaczynski die Demonstration als „sexuell obszön“ und „Gefahr für die öffentliche Moral“ bezeichnet. Zum Verbot des Warschauer Christopher Street Days erklärte Philipp Braun, Sprecher des Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD): „Es kann nicht hingenommen werden, dass die Menschenrechte mitten in Europa mit Füßen getreten werden. Der LSVD fordert die Bundesregierung und die Europäische Union auf, bei der polnischen Regierung vorstellig zu werden.“ Vordergründig ist Kaczynskis Abwehrhaltung zunächst durch eine durchschnittlich homophobe, katholische Grundhaltung motiviert. Darüber hinaus scheint der Bürgermeister, der bald Präsident werden möchte, mit homosexuellenfeindlichen Parolen Wähler gewinnen zu wollen. Schwul-lesbisches Leben spielt sich in Polen noch immer weitgehend hinter verschlossenen Türen ab. Während der Christopher Street Day in Mitteleuropa mittlerweile eher als große Party denn als Emanzipationskampf wahrgenommen wird, so verweist das polnische Beispiel einmal mehr auf dessen immer noch dringendes Anliegen: Es geht um Bürgerrechte. MARTIN REICHERT