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Warnung vor der Dienstpflicht

■ Kongreß der Totalverweigerer diskutierte Perspektiven nach der deutschen Einheit und nach dem Golfkrieg/ Schwierigkeiten mit dem Verschwinden der apokalyptischen Kriegsvisionen

Hamburg (taz) — Seit 1985 wurden totale Kriegsdienstverweigerer in der Ex-DDR in Ruhe gelassen, weil es politisch opportun war, die westliche Friedensbewegung nicht zu verprellen. Doch nun schrecken die zu Kreiswehrersatzämtern gewendeten militärischen Erfassungsstellen diejenigen auf, die ihre Totalverweigrung zwar nicht mit Gefängnis - wie im Westen - dafür aber mit beruflichen Nachteilen büßten. Ob sie ihre damalige Erklärung, mit der sie den Dienst bei der NVA und als Bausoldat verweigerten, auch als Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer nach bundesdeutschem Recht verstanden wissen wollen, werden sie jetzt gefragt. Vor allzu forscher Bejahung dieser Frage muß gewarnt werden. Denn Ex-DDRler, die älter als 25 Jahre sind, werden nach einer internen Anweisung des Verteidigungsministeriums nicht mehr zum Wehrdienst herangezogen, müssen aber unter Umständen ihren Zivildienst antreten.

Diese Situation in den neuen Bundesländern war eines der Themen, die am Wochenende auf einem Bundestreffen der totalen Kriegsdienstverweigerer in Hamburg diskutiert wurden. Außerdem ging es um die sich anbahnende Allgemeine Dienstpflicht. Konzepte dafür schlummern seit den 70er Jahren in den Schubladen. Doch die nun vertraglich vereinbarte Reduzierung der Bundeswehr auf 370.000 Mann erhöht die Wahrscheinlichkeit der Umsetzung enorm. Denn die verkleinerte Bundeswehr wird nur zu rund 20 Prozent aus Wehrpflichtigen bestehen, womit die Nicht-Verweigerung plötzlich der günstigste Weg wäre, um irgendeine Form von Dienst herumzukommen. Zumindest die allgemeine Dienstpflicht, wenn nicht sogar ein soziales Pflichtjahr auch für Frauen, werde kommen, da waren sich die versammelten Totalverweigerer, die sich gegen jede Art von Zwangsdienst wehren, einig. Auf dem internationalen Tag der Kriegsdienstverweigerer, der am 15. Mai europaweit begangen wird, soll das Thema „Kein Zwangsdienst für Frauen“ daher im Mittelpunkt stehen. Eine stärkere Zusammenarbeit mit Frauen, die bereits heute ihre Verweigerung zukünftiger Dienste ankündigen, wird von den bisher nur männlichen Totalverweigerern angestrebt.

Keine Einigkeit herrschte darüber, ob künftig leichter oder schwerer für die Idee der Totalverweigerung geworben werden kann. Der Golfkrieg habe zwar begrenzt (Behandlung verletzter GIs in deutschen Hospitälern) deutlich gemacht, daß es keine klare Trennung zwischen zivilem und militärischem Dienst gebe. Aber mit der Überwindung des Ost-West-Konfliktes sei auch die apokalyptischen Kriegsvisionen verschwunden, die jedermann/frau klar machten, daß es im Krieg nichts Ziviles mehr gibt. Die Ablehnung jedweden Dienstes an diesem Staat erfordere damit zwar nicht gleich die Ablehnung dieses Staates, wohl aber die Ablehnung des Zwangscharakters dieser Dienste. Dies ist eine Hürde, die zur Zeit nur im ehemaligen West- Berlin leicht genommen wird, wo man derartige Dienste bisher nicht gewohnt war. Mit 500 Totalverweigerungen rechnet man dort noch in diesem Jahr, während es im ehemaligen Bundesgebiet bisher jährlich zwischen 30 und 120 waren. Kai Fabig

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