Warnung vor Kontrolleuren im Netz: Facebook statt Fahrkarte
Schwarzfahren kann ziemlich teuer werden. Auf Facebook und Twitter tauschen sich Schwarzfahrer in Großstädten aus und warnen sich vor Kontrollen.
BERLIN taz | Wer erwischt wird, muss zahlen. Und Schwarzfahren kann teuer werden. Nicht nur das erhöhte Beförderungsentgelt von 40 Euro, sondern auch Strafanzeigen sind mögliche Konsequenzen. Trotzdem nutzen viele die öffentlichen Verkehrsmittel, ohne dafür zu bezahlen.
Um das Risiko erwischt zu werden, möglichst gering zu halten, bedienen sich die Schwarzfahrer bei Facebook und Twitter. Auf den beiden Plattformen können sie sich austauschen und gegenseitig vor Kontrollen warnen. Über Einträge, die an Blitzermeldungen im Radio erinnern, verständigen sich die Nutzer über den Ort und den Zeitpunkt der Zugriffe. Andere Nutzer machen sich mehr Mühe, beschreiben das Aussehen erspähter ziviler Kontrolleure genau.
Jedes Mitglied der sozialen Online-Platformen kann diese Informationen veröffentlichen. Durch die Verbreitung von internetfähigen Handys können die Nutzer auch von unterwegs problemlos Nachrichten senden und empfangen. Meldungen wie "kontrollen in der S2 erding, höhe laim. Letzter wagon", kann dann jeder lesen.
Münchner Verkehrsgesellschaft bleibt gelassen
In München enstand so der mvvblitzer. Bei Facebook hat die Seite mittlerweile 14.000 Sympathisanten. Gegründet hat das Portal ein Münchner Informatik-Student im Herbst letzten Jahres. "Die öffentlichen Verkehrsmittel sollten sehr billig sein, wenn nicht sogar umsonst", sagt er. Seinen Namen will er nicht nennen. Mit seinen Seiten möchte er die MVG zur Preissenkung bewegen. Als nächstes plant der junge Mann eine Smartphone-App. Damit soll es noch leichter werden, Kontrollen zu melden.
Die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) sieht diese Aktion gelassen. "Die Meldungen sind kurze Momentaufnahmen. Unsere Kontrolleure sind in aller Regel permanent unterwegs und wechseln häufig Züge“, meint die Sprecherin Bettina Hess. Pro Jahr entgehen der MVG nach eigenen Angaben Einnahmen in Höhe von mindestens 10 Millionen Euro. Das entspreche dem Anschaffungswert von 30 Gelenkbussen.
Einige User sind fast schon selbstlos. Sie wollen gar nicht sich selbst davor bewahren, erwischt zu werden, sondern andere. Manche haben selbst eine Monatskarte, wollen aber denen helfen, die sich kein Ticket leisten können. "In München gibt es kein Semesterticket und die Preise sind unverschämt. Ich will andere Studenten warnen!", erklärt ein Nutzer der Plattform.
Ähnlich der Blitzerwarnungen im Radio bewegen sich die Warnsysteme in einer rechtlichen Grauzone. Die Schwarzfahrer können nicht belangt werden, so lange sie keine Fotos von Kontrolleuren veröffentlichen oder sie beleidigen. Nicht nur in München gibt es Plattformen, die das Schwarzfahren vereinfachen sollen. Ende vergangenen Jahres ist auch in Hamburg ein solches Frühwarnsystem entstanden.
Reaktionen hauptsächlich positiv
Am Mittwochnachmittag hatte die Facebook-Seite "Schwarzfahren Hamburg" noch über 6000 Mitglieder. Kurze Zeit später wurde die Seite gelöscht. Facebook will dazu keine Angaben machen, gibt aber zu Bedenken, dass der Gründer die Seite auch selbst gelöscht haben könnte. Mittlerweile wurde eine neue Seite ins Leben gerufen.
Auch dem HVV entgehen nach eigenen Angaben durch Schwarzfahrer jährlich Einnahmen in Höhe von schätzungsweise 20 Millionen Euro. Offenbar inspiriert durch die Berichte aus Hamburg hat sich in Berlin die Gemeinschaft namens "Schwarzfahren Berlin" gegründet. Sie verzeichnet derzeit enormen Zulauf.
Zu den Projekten gibt es unterschiedliche Resonanz. Selbstverständlich gibt es auch Kritiker. Dies sind meist Leute, die ihre Fahrscheine bezahlen und behaupten, die Schwarzfahrer führten zu höheren Fahrpreisen. Beschimpfungen müsse der Gründer des mvvblitzer hin und wieder lesen. Auf den Facebook-Seiten wären Rückmeldungen aber hauptsächlich positiv, sagt er.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Rekordhoch beim Kirchenasyl – ein FAQ
Der Staat, die Kirchen und das Asyl
Preise fürs Parken in der Schweiz
Fettes Auto, fette Gebühr