piwik no script img

WarenkundeDie Last mit dem Luxus

Arm dran ist, wer sich Luxus leisten kann - denn Luxus muss unbequem sein, um die Stärke seines Besitzers zu zeigen.

Bequem sieht sie nicht aus, die "Oscar-Mode" für den Köter... Bild: dpa

Luxus bedeute Komfort, lautet ein beliebtes Vorurteil. Ein luxuriöses Leben sei also ein leichtes Leben: voller Annehmlichkeiten, Service, Privilegien. Natürlich ist dieses Vorurteil nicht ganz falsch. Aber es lässt übersehen, dass zum Luxus ebenso eine andere Seite gehört - eine etwas unheimliche, gar abgründige und abschreckende Dimension. Auf sie stößt vielleicht zuerst, wer Statements Prominenter zur Kenntnis nimmt, die verraten, was für sie Luxus ist. Das sei ein Ort, so die Starköchin Sarah Wiener vor ein paar Wochen in einem Interview, der "schwierig zu erreichen und unwirtlich" sei, ja wo "kein Mensch überleben" könne. Als Beispiel nennt sie Urstromtäler in Kanada.

Hier wie auch in anderen Äußerungen wird Luxus an eine besondere Vitalität geknüpft: Man muss ihn sich leisten können, muss stark genug sein, um ihm gewachsen zu sein. Schon in seiner ursprünglichen Wortbedeutung heißt "Luxus" so viel wie "üppige Fruchtbarkeit"; gemeint ist ein Strotzen, und es geht um die Demonstration von Kraft, Potenz, Überlegenheit. Luxus ist somit das Recht des Stärkeren. Das nimmt aber ganz verschiedene Formen an - und äußert sich nur manchmal als physische Ausdauer. Magazine, die Luxusartikeln gewidmet sind und die gerade in letzter Zeit zahlreich publiziert werden, geben Aufschluss über die Spielarten der Überlegenheit. Beliebt sind etwa Produkte, die nur als "limited edition" verfügbar und somit ihrerseits "schwierig zu erreichen" sind, ja die nur von denjenigen ergattert werden können, die schneller oder hartnäckiger sind, bessere Beziehungen oder mehr Geld haben als andere.

Ähnlich oft tauchen Produkte auf, die nach herkömmlichem Empfinden hässlich - also auf ihre Art ebenfalls "unwirtlich" - sind. In einem "Luxury Index" des Time Magazine fand sich kürzlich etwa eine Kommode der Firma Wrongwoods, deren einzige Pointe in kräftig gemaserten Laminaten besteht. Echtes Holz wird hier also bewusst schlecht imitiert. Doch wer es wagt, ein so offensichtliches Fake zu erwerben, bekundet Coolness: Gleichgültigkeit gegenüber dem vorherrschenden Geschmack und damit Unabhängigkeit.

Wer zarter besaitet ist, will es hingegen warm und heimelig. Luxus bedeutet also nicht nur, etwas zu haben, was sich andere Menschen nicht leisten können, sondern meint gleichermaßen, auf etwas verzichten zu können, was andere Menschen brauchen. Und Luxus besteht darin, diesen Verzicht zu genießen, weil er die eigene Überlegenheit und Autonomie unter Beweis stellt. Im Extremfall kann man mit Luxus dann sogar einschüchtern, da andere sich wundern, wie jemand es mit etwas aushalten kann, das kalt, spröde oder unbequem ist. Statt jener Kommode ließen sich als Beispiele auch Stühle nennen, die zwar schick aussehen, aber nur zu benutzen sind, wenn man über einen robusten Rücken verfügt. Oder man denke an Locher und Hefter, die mit Diamanten besetzt sind und daher verführerisch funkeln, jedoch kaum noch handzuhaben sind. Nicht zu reden von Designerschuhen, in denen man nur mit Pflastern gehen kann - und auch das höchstens für kurze Zeit.

Das alles zeigt, dass Luxus oft geradezu das Gegenteil von Komfort bedeutet. Nur sofern ein Luxusartikel unpraktisch, ja offenkundig "unwirtlich" ist, kann er auch die Stärke seines Besitzers repräsentieren und als Machtinsignie wirken. Sonst weckt er hingegen höchstens Neid, ja soweit Luxus Bequemlichkeit verschafft, will jeder daran teilhaben, um es ebenfalls ein wenig einfacher oder angenehmer im Leben zu haben. Verwöhnluxus wird daher auch so schnell nachgeahmt und adaptiert, dass er schon bald nichts Besonderes mehr ist. Champagner gibt es beim Discounter.

Wenn Luxus, der wirklichen Distinktionsgewinn mit sich bringt, aber unbequem sein muss, dann ist eigentlich alles in bester Ordnung: Diejenigen, die ihn sich leisten können und wollen, haben so viel zu leiden oder zu entbehren, dass man ihnen das Überlegenheitsgefühl gerne zugesteht. Und wer ihn sich nicht leisten kann oder will, darf dafür das Privileg eines etwas heimeligeren und bequemen Alltags genießen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!